01.08.2022
Der Laden – Ohrwurm als Gebet
Ohrwürmer können nervig sein. Mein aktueller dagegen ist richtig schön. Weil er von Gerhard Schöne ist. Und auch weil er meine eigene Ansicht als Geschichte erzählt: Ein Mann strandet in einem Geschäft, das voller Tüten und Schachteln steht. Was drin ist, sieht der Mann nicht im Dämmerlicht und fragt: Was verkaufen Sie hier? Der Händler sagt: Alles, was Sie sich wünschen, gibt es bei mir. Sofort fängt der Kunde an aufzuzählen: Na, dann möchte ich das Schweigen der Waffen. Und die Brötchen viel besser verteilt. Mehr Verstand in die Köpfe, aus den Augen die Gier. Elternzeit für die Kinder, Achtung vor jedem Tier. Helle Zimmer für alle, Arbeit je nach Talent. Als er Luft holen will, ruft der Verkäufer: Nein, Sie haben mich falsch verstanden. Nicht diese Früchte kriegen Sie hier –– ich hab’ nur die Samen dafür. Soll heißen: Eine bessere Welt gibt’s nicht to go. Nur Ideen gibt es davon. Die von Gerhard Schöne sind zeitlos. Veröffentlicht hat er das Lied zwar vor 30 Jahren. Aber bis heute wäre uns sehr geholfen, wenn diese acht Wünsche wahrer würden. Damit sie wahr werden, müssen wir die Ideen aussäen, teilen mit anderen, sodass sie auf fruchtbaren Herzboden fallen und irgendwann Früchte tragen. Den Ohrwurm mache ich darum zu meinem Gebet: Gott, ich bitte dich um das Schweigen der Waffen! Lass uns Menschen weniger gierig sein und mithelfen, dass sich die Brötchen gerechter verteilen. Verteile du mehr Verstand und hilf uns, daran mitzubauen, dass irgendwann alle, die sich darüber freuen, in Zimmern leben, die hell sind.
Dass Sie heute Nacht gut schlafen und morgen bei Sonnenlicht wach werden, wünscht Ihnen Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach