05.01.2016
Fremde Könige
Drei-Königs-Tag.
Ich denke an die drei Könige, die am Heiligabend in unserer Kirche waren.
Eigentlich lief alles so wie immer. Volle Kirche. Weihnachtsbaum und Krippenspiel. Aber dann ist alles anders:
Die drei Könige kommen nicht aus dem Abendland. Sie sind dunkelhäutig. Drei junge Männer aus Eritrea. Mit wundervollem Turban auf dem Kopf und in prächtigen Gewändern, die eine Frau extra für sie genäht hat. In dem Dorf, wo sie jetzt leben.
Sie kommen zur Krippe. Aber sie bringen keine Geschenke. Kein Gold. Kein Weihrauch. Keine Myrrhe. Sie bringen ihre Geschichten mit, ihre Fluchtgeschichten. Erzählen sie dem Kind in der Krippe. Und den Leuten in der Kirche. In ihrer Sprache. In Tigrinya. Der Engel übersetzt es ins Deutsche. Engel sind Multi-Sprachtalente.
Es ist sehr still in der Kirche, als der erste König sein Handy hochhält. Und Gott dafür dankt. Ohne dieses Handy hätte er die Flucht nicht überlebt. Und der Kontakt zu seiner Familie in der Heimat wäre unmöglich.
Der zweite König zeigt ein Foto. Von dem kleinen Bruder, der ein Kindersoldat ist. Weil er gezwungen wurde. „Bitte, Jesus“, sagt der König „beschütze meinen Bruder! Ich will ihn wiedersehen! Hilf, dass sein Leben nicht umsonst ist!“
Nun ist der dritte König an der Reihe. Er kann nicht an Gott glauben. Er hat so viel Schlimmes erlebt. Er fühlt sich leer. Hält dem Kind seine leeren Hände hin.
Maria und Josef sehen ratlos aus und schweigen. Endlich sagt Josef: „Das Kind in der Krippe bringt Hoffnung für alle. Das ist der Strohhalm, an dem du dich festhalten kannst.“ Maria nimmt einen Strohhalm aus der Krippe. Legt ihn dem König in die leeren Hände.
Dreikönigstag. Vor mir auf dem Schreibtisch ein Strohhalm. Er erinnert mich an die drei fremden Könige mit ihren Sorgen. Und an das Kind, das Hoffnung bringt. Für alle.
Eine gute Nacht! Und morgen einen hoffnungsvollen Tag
wünscht Ihre Angela Fuhrmann,
Pfarrerin von der Ev. Kirche in Gotha