18.04.2024
Gaben - ohne Geschlecht von Gott gegeben
Von klein auf liebt Cécile Musik. Sie spielt Klavier bei Hauskonzerten ihrer Familie. Mit acht schreibt sie eigene Stücke – für ihre Puppen. Wäre Cécile ein Junge, würden die Eltern ihn ans Konservatorium schicken, um Komponist zu werden. Aber für Frauen geht das nicht im 19. Jahrhundert. Ihr Vater erlaubt Cécile Privatunterricht, aber nur weil Georges Bizet ihn dazu überredet. Der wohnt zufällig in der Pariser Nachbarschaft. Er nennt Cécile „kleiner Mozart“. So wie dem Wunderkind fließen Cécile die Melodien zu; ihre Einfälle bringen sie selbst zum Weinen. Eine Zeit lang wird sie als Starkomponistin gefeiert. Die englische Königin Viktoria lädt sie nach Windsor ein. Auch in den USA geht Cécile auf Tournee. Sie schreibt etwa 400 Werke, unterzeichnet – wie der Verlag es verlangt – meist geschlechtsneutral mit C. Chaminade. Ein Kollege sagt: „Unglaublich! Dies ist keine komponierende Frau, sondern ein Komponist, der eine Frau ist.“ Sie ist genauso gut wie ein Mann, wollte er damit sagen und hat es wohl gut gemeint. Aber Cécile formuliert es besser: „Es gibt kein Geschlecht in der Kunst. Genialität ist eine selbständige Eigenschaft“, hat sie gesagt. Und ich glaube, damit hatte sie recht. Jede gute Gabe kommt von oben herab, heißt es in der Bibel. Gut, sogar wunderbar ist doch, dass jemand etwas schaffen kann, was die Seele von anderen berührt. Wenn Gott solche Gaben verteilen will, dann doch nicht nur der Hälfte der Menschheit. Heute vor 80 Jahren ist Cécile Chaminade gestorben.
Lassen Sie sich anstecken von ihr und folgen Sie Ihrer eigenen guten Gabe, wünscht Milina Reichardt-Hahn, Pfarrerin in Fambach