28.11.2022
Herberge gesucht

Seit gestern sind sie unterwegs – die Krippenfiguren Maria und Josef. Den Familien-Gottesdienst haben sie noch mitgefeiert. In der kalten Kirche, gewärmt durch die Advents-Atmosphäre:

Die erste Kerze am Adventskranz...

erwartungsvolle Schwingungen zwischen alten Bibel-Worten...

Lieder voller Sehnsucht...

Dann sind Maria und Josef losgezogen, in dem Hebammen-Koffer. Die Ton-Figuren sind groß. Und passen gerade so in diese Tasche, die von Tag zu Tag weiter gegeben wird. Adventskoffer heißt diese Aktion in unserer Gemeinde. Alle entscheiden selbst, wohin Maria und Josef weiterziehen.

Zuerst mal sind sie bei mir gelandet. Auf dem Tisch im Esszimmer. Unübersehbar stehen sie hier zwischen erzgebirgischer Pyramide und Laptop.

Und ich freue mich an ihren fröhlichen Gesichtern, die etwas Ansteckendes haben. Etwas, was alle Schwere, alle Sorgen relativiert. Und mich daran erinnert:

Es ist Advent.

Zeit, meine Erwartungen ernst zu nehmen:

Dass ein großes Licht alle Finsternis hell machen kann.

Dass Frieden werden kann – für alle.

Dass es Heilung gibt für diese kranke Welt.

Heute werden Maria und Josef über Nacht hier bleiben. Morgen bringe ich sie in eine andere Herberge.

Wer sie wohl besonders braucht: Der kranke Nachbar? Die Familie mit den vielen Kindern? Oder der syrische junge Mann, der so traurig aussieht?

Zu Weihnachten werden Maria und Josef – dann mit Kind – in der Kirche sein. Und viele anstecken, fröhlich mehr zu hoffen, mehr zu erwarten, als wir sonst zu hoffen wagen...

Eine gute Nacht wünscht Angela Fuhrmann,

evangelische Pfarrerin in Gotha


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