10.02.2023
Klappe halten

Der Optiker liebt Selma, aber er traut sich nicht, es ihr zu sagen. Immer wieder nimmt er Anlauf, aber es klappt nicht. Jedes Mal, wenn er kurz davor ist, kommen ihm seine vielen inneren Stimmen in die Quere. Eine ganze Wohngemeinschaft hat er davon. Und sie haben einen ganzen Sack von Argumenten, lieber alles so zu lassen, wie es ist. Wenn er sagt: „Lieber auf neuen Wegen stolpern als auf alten Wegen auf der Stelle treten.“, halten sie dagegen: „Lieber auf alten Wegen auf der Stelle treten als auf neuen stolpern, unglücklich fallen und sich mehrere ... Wirbelbrüche zuziehen.“ Wenn er ihnen entgegenhält: „Mut tut gut.“, zischeln sie zurück: „Das wüssten wir aber. Du bist doch bisher mit deiner Zurückhaltung ganz gut gefahren.“ Und so geht das immer weiter. Sie sind laut und sie sind viele. Innere Stimmen, die nicht klein zu kriegen sind.

So erzählt es Mariana Leky in einem ihrer Romane.

Ich habe an diesen Stellen immer wieder herzlich gelacht, weil es mir auch oft so geht wie dem Optiker. Ich kenn sie gut, die Wohngemeinschaft meiner inneren Stimmen. Sie scheinen immer alles besser zu wissen. Sie haben Freude daran, mich aufzuhalten, wenn ich was Neues probieren will. Aber es gibt einen Weg, mit ihnen umzugehen.

Der Optiker hat dafür ein wundervolles Rezept. Wenn die Stimmen ihm zu vorlaut werden, dann sagt er einfach mal: Klappe halten. Und dann sind sie ruhig. Dann ist Zeit, etwas zu wagen und sei es noch so verrückt.

Eine gute Nacht wünscht Dorothee Land, evangelisch und aus Erfurt.


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