10.02.2022
Zorn
Mein Vater ist 90 Jahre alt. Und fit. Gesundheitlich und auch im Kopf. Er hat viel Lebenserfahrung. Wenn wir zusammensitzen, Wein trinken und erzählen, dann frage ich ihn auch aus. So wie letztens. Ich frage ihn nach meiner verstorbenen Mutter und dem Rezept ihrer beider Ehe.
„Wir sind nie mit Streit schlafen gegangen“ erzählt mein alter Herr. „Bei unsrer Hochzeit vor 60 Jahren haben wir uns vorgenommen: Wenn wir uns streiten, dann soll der Streit noch am selben Tag wieder erledigt sein, spätestens aber vor dem schlafen gehen!“ Und fast belehrend fügt er hinzu: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“. Das steht in der Bibel und ist auch seine Devise.
„Und? Ist euch das immer gelungen, wenn mal dicke Luft war? Fenster auf, dicke Luft raus, wie bei Corona? frag ich zurück. „Es ist uns zumindest gelungen, nicht streitend einzuschlafen. Aber wir haben es auch erst lernen müssen“ ergänzt er.
Die Sonne nicht über dem Zorn untergehen lassen! Es lernen müssen! Das finde ich manchmal schwer, Ärger oder Streit bis zum Abend wieder loszuwerden. Auch wenn ich weiß, dass ich dann wahrscheinlich besser schlafe. Meist gibt es ja einen Anlass für Ärger!
„Und WIE habt ihr Streit beigelegt?“ frag ich zurück.
Wir haben uns gefragt: Wie kann ich die Situation entschärfen? Nicht auf mein Recht auf Teufel komm raus pochen. Sachlich bleiben! Und Toleranz üben.
Dass die Sonne morgen früh ohne Zorn aufgehen möge wünscht Pfarrer Christoph Knoll aus Erfurt und evangelisch.
