Manchmal brechen Unglück und Tod gewaltsam in das Leben ein. Ein schwerer Autounfall, ein Gewaltverbrechen, eine Unwetterkatastrophe – das sind existenzielle Krisensituationen für die betroffenen Menschen. Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr sind vor Ort, um die äußerliche Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen. Um die seelische Notlage der Überlebenden, Angehörigen und Zeugen kümmert sich die Notfallseelsorge.
Akute Not- und Krisensituationen konfrontieren Menschen mit der Verletzlichkeit und Endlichkeit des Lebens. Das bringt verschiedenste Verlusterfahrungen mit sich: Betroffene verlieren ihre Sicherheit, ihre Ordnung, ihr Vertrauen, ihren Glauben, ihre Gesundheit, ihr Leben. Notfallseelsorgende stehen diesen Menschen bei, indem sie die Situation aushalten und mittragen und die Betroffenen begleiten. Notfallseelsorgende stehen ein für eine Hoffnung auf Zukunft, auch wenn in Momenten der akuten Belastung und Trauer niemand weiß, wie diese Zukunft aussieht.
Notfallseelsorge ist Ausdruck des christlichen Glaubens an Gott, der Menschen gerade in Leid und Not nicht allein lässt. Sie ist ‚Erste Hilfe für die Seele‘ – unabhängig von der Religion oder Weltanschauung der Betroffenen. Ziel der Notfallseelsorge ist die Wiederherstellung der Selbstwirksamkeit der Betroffenen und die Stärkung ihrer Lebensgewissheit trotz des Unglücks.
Die Notfallseelsorge wird fast ausschließlich von Ehrenamtlichen getragen. Dafür haben die Freiwilligen eine umfangreiche Ausbildung nach bundesweiten Standards durchlaufen, nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil und werden intensiv durch Supervision begleitet.
In der Ausbildung lernen die Notfallseelsorgenden, welche psychischen Notlagen durch akute Unglückserfahrungen entstehen können und wie unterschiedlich Menschen in Krisensituationen reagieren. In Rollenspielen üben sie, Notfall-Betroffene in deren jeweiliger Situation zu begleiten und am Unglücksort mit den Einsatzkräften zusammenzuarbeiten. Sie lernen, von ihren eigenen Bewältigungsstrategien abzusehen und die betroffene Person zu unterstützen, damit diese selbst herausfindet, was ihr in diesem Moment guttut. Wichtigstes Ausbildungsziel ist die Entwicklung einer seelsorglichen Grundhaltung und einer eigenen Sprache, die auch in Ausnahmesituationen überzeugend Halt und Trost (Trost kann man nicht vermitteln oder gar spenden, er wächst in den Betroffenen selbst) und Stabilität vermitteln kann.
In der Notfallseelsorge kann alles zur Sprache kommen, was in der jeweiligen Krisensituation ‚hochkommt‘. Die Seelsorgenden begleiten die unmittelbaren Reaktionen der Betroffenen auf das erlebte Unglück. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen – von Schock und Schweigen über Klage, Weinen, Schreien und Ärger bis hin zu ununterbrochenem Reden. Notfallseelsorgende unterstützen dabei, Gefühle wie Angst, Wut und Trauer zu benennen und zu normalisieren. Sie halten Ohnmacht und Sprachlosigkeit mit aus und stellen sich gemeinsam mit den Betroffenen deren Fragen nach dem Sinn des Erlebten, nach eigener und fremder Schuld oder nach Gott. Neben gemeinsamen Reden und Schweigen ist in der Notfallseelsorge auch Raum für Gebet, Segen, Abschiedsrituale oder das Planen der nächsten Schritte.
Die Notfallseelsorge ist durch ein Bereitschaftssystem Tag und Nacht einsatzfähig. Sie ist Teil der Rettungskette und wird bei Not- und Unglücksfällen direkt von der Rettungsleitstelle informiert bzw. von den Einsatzkräften nachgefordert. Dafür gibt es festgeschriebene Einsatzkriterien. Die Notfallseelsorge wird ausschließlich gerufen
- bei Tod im häuslichen Bereich,
- nach Suiziden,
- bei Verkehrsunfällen mit Schwerverletzten und Toten,
- bei Gewaltverbrechen,
- bei Bränden,
- zum Begleiten beim Überbringen von Todesnachrichten durch die Polizei und
- bei Großschadensereignissen.
Als ‚Erste Hilfe für die Seele‘ ist die Notfallseelsorge auf die akute Krisensituation bzw. Einsatzlage begrenzt. Bei Bedarf werden seelsorgliche bzw. psychosoziale Angebote für die weitere Begleitung vermittelt.
Der Dienst der Notfallseelsorge ist regional sehr unterschiedlich organisiert. Insgesamt gibt es im Bereich der EKM 46 regionale Teams mit ca. 560 Ehrenamtlichen. Die Teams werden zum Teil von Kirchenkreisen oder kirchlichen Einrichtungen getragen, zum Teil aber auch von Hilfsorganisationen wie dem ASB, dem DRK oder den Maltesern. Für die Koordination der Teams finanziert die EKM in Sachsen-Anhalt eine 50%-Stelle, in Thüringen zwei Stellen mit insgesamt 1,25VbE.
Die Notfallseelsorge kann nicht von Betroffenen oder Augenzeugen alarmiert werden, sondern wird ausschließlich von der Rettungsleitstelle bzw. den Einsatzkräften gerufen.
Bei Fragen zur Notfallseelsorge oder Interesse an einer ehrenamtlichen Mitarbeit wenden Sie sich bitte an die unten genannten Kontaktpersonen.
Für Sachsen-Anhalt
Landesbeauftragte für die Notfallseelsorge
Katja Vesting
– derzeit nicht im Dienst –
Vertretung für Sachsen-Anhalt
Landesbeauftragte für die Notfallseelsorge Pfrn. i. R. Thea Ilse
Große Ulrichstr. 7
06108 Halle
Telefon: 0171 – 5423438
thea.ilse@freenet.de
www.psnv-sachsen-anhalt.de/
Für Thüringen
Landesbeauftragter für die Notfallseelsorge Pfr. Ulrich Matthias Spengler
ulrich-matthias.spengler@ekmd.de
Telefon: 0172 – 47 67 0 77
https://innen.thueringen.de/wir/landeszentralstelle-psnv