PM 85 | 30.07.2010
EKM plädiert für Abschaffung der Residenzpflicht durch Bundesrat
BEI RÜCKFRAGEN
Susanne Sobko, 0162-2048755Asylbewerber sollen sich frei bewegen dürfen
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) begrüßt die geplante Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber in Thüringen, plädiert jedoch für weitreichendere Regelungen als von der Landesregierung vorgesehen. So sollen sich Flüchtlinge unbeschränkt frei bewegen können – zunächst im Freistaat und perspektivisch in ganz Deutschland. Deshalb ermutigt die EKM die Landesregierung, sich für eine komplette Abschaffung der Residenzpflicht im Bundesrat einzusetzen. Auch für geduldete Flüchtlinge soll es keine Beschränkungen geben. Die EKM hat Stellungnahmen zum Thema an den Innenausschuss des Landtages sowie die Landesregierung eingereicht.
„Wir fordern seit Jahren die Abschaffung der Residenzpflicht – sie ist nicht notwendig“, sagt Petra Albert, Migrationsbeauftragte der EKM. „Da Thüringen relativ kleine Verwaltungseinheiten hat und die Anzahl der Flüchtlingen gering ist, gibt es Probleme bei der für Migrantinnen und Migranten notwendigen Infrastruktur. So fehlt ein flächendeckendes Netz unabhängiger Beratungsstellen. Außerdem leiden viele Flüchtlinge unter der Vereinzelung, denn sie dürfen ihre Freunde in anderen Landkreisen oder kreisfreien Städten nicht einfach besuchen“, betont Albert. Bis die Residenzpflicht generell abgeschafft ist, plädiert sie für eine Lockerung, die jedoch umfassender sein soll als von der Landesregierung geplant. Davon könnten zum einen die Betroffenen profitieren, zum anderen würden die Behörden entlastet.
Für die Betroffenen werde durch die Abschaffung der Residenzpflicht die Kontaktpflege zu Freunden und Bekannten erleichtert. Zudem könnten sie soziale Einrichtungen und unabhängige Beratungsstellen für Asylangelegenheiten sowie Migranten-Netzwerke und interkulturell kompetente Fachärzte einfacher aufsuchen, denn die gebe es im Freistaat nur in wenigen Landkreisen. So darf das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Jena bisher von den meisten Betroffenen nur mit Erlaubnisschein besucht werden. Auch der uneingeschränkte Besuch der Stadt Erfurt bleibe den meisten Asylbewerbern trotz der vielen wichtigen Kontaktstellen nach den Planungen der Landesregierung verwehrt. Außerdem gebe es im Freistaat Thüringen keine flächendeckende Möglichkeit zur Religionsausübung, so dass beispielsweise das Aufsuchen eines muslimischen Gebetshauses gegenwärtig für viele Asylbewerber ohne Erlaubnisschein nicht möglich sei. „Wir bitten die Landesregierung, ihren Entwurf einer Thüringer Verordnung zu überdenken und die geplante Lockerung der Residenzpflicht aufgrund der örtlichen Verhältnisse in Thüringen deutlich großzügiger zu gestalten als geplant“, sagt Petra Albert.
Hintergrund:
Asylbewerber dürfen sich bisher in Thüringen grundsätzlich nur in dem von der Ausländerbehörde zugewiesenen Gebiet und damit nur in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt aufhalten. Falls sie das Gebiet verlassen wollen, brauchen sie in der Regel eine Verlassenserlaubnis, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden muss. In einem Antrag fordert die Fraktion der FDP im Thüringer Landtag, dass eine Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber im Freistaat geprüft werden soll. Diesen Antrag hat der Innenausschuss zum Anlass für eine schriftliche Anhörung zum Thema genommen. Die Landesregierung hat einen „Entwurf einer Thüringer Verordnung über den vorübergehenden Aufenthalt von Asylbewerbern außerhalb des Bereichs der Aufenthaltsgestattung“ vorgelegt und ebenfalls ein schriftliches Anhörungsverfahren gestartet. In dem Entwurf wird das frei zugängliche Gebiet für Asylbewerber auf angrenzende Landkreise und kreisfreie Städte erweitert, für alle anderen Gebiete brauchen sie jedoch weiterhin eine Verlassenserlaubnis.