PM 94 | 26.06.2013
„Mutter Courage von Thüringen“ wird 95 Jahre alt

Synodalpräsidentin war bekannt für mutigen Protest gegen den DDR-Staat
Landesbischöfin gratuliert persönlich zum Geburtstag

Am 27. Juni wird Christina Schultheiß, die langjährige Synodalpräsidentin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, 95 Jahre alt. Ilse Junkermann, Landesbischöfin der der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), wird sie aus diesem Anlass in ihrem Wohnort Pillingsdorf (Kirchenkreis Schleiz) besuchen. Die Kirchengemeinde ehrt die Jubilarin mit einer Andacht im Familienkreis.

Christina Schultheiß ist über die Grenzen Thüringens hinaus bekannt. Sie war zunächst Mitglied im Kirchenparlament der Landeskirche und wurde später Präsidentin der Landessynode (1978 bis 1990), Mitglied der Synoden des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands sowie Vorstandsmitglied in der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR. Ihre Ämter hat sie in der Tradition lutherischer Reformation verankert gesehen. Sie trat für Toleranz, das Leben menschlicher Werte und das gemeinsame Lösen von Problemen ein. Als „Mutter Courage von Thüringen“ wurde sie bezeichnet, und als eine, „die nie ein Blatt vor den Mund nimmt“.

Besonders wichtig war es Christina Schultheiß, die Unabhängigkeit der Kirche gegen den DDR-Staat zu verteidigen. Dabei ließ sie sich auch von Erpressungsversuchen nicht einschüchtern. Unter anderem hatte sie am 6. März 1978 beim ersten Spitzengespräch zwischen Staat und Kirche unter Leitung des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker auf die vielen Ungerechtigkeiten gegenüber den Bürgern verwiesen. Die Ergebnisse des Treffens gelten als ein Grund für das wachsende Selbstvertrauen der ostdeutschen Christen, das später mit ausschlaggebend für die friedliche Revolution in der DDR war.

Christina Schultheiß ist auch als eine der ersten Frauen in der DDR mit leitenden Positionen bekannt. Lange Zeit war sie die einzige Leiterin eines Straßenbauamtes, ihren Beruf hat sie bis zum 80. Lebensjahr ausgeübt. In ihren kirchlichen Ämtern konnte sie sich Männern gegenüber durchsetzen, als das für eine Frau noch lange nicht selbstverständlich war. Widerspruch hielt sie auch einem Bischof gegenüber für angemessen. Unter anderem hat sie für die Ordination von Theologinnen gekämpft. „Mehr Selbstbewusstsein bitte!“, so ihre Forderung an Frauen.

Wegbegleiter bewunderten immer ihr unerschütterliches Gottvertrauen. Oft zitiert wurde ihre Meinung, Christen – dabei machte sie keinen Unterschied zwischen Konfirmanden und einem Bischof – seien im Vergleich zu Nichtchristen keine besseren Menschen. „Aber sie haben es besser, wenn sie aus der Kraft des Glaubens leben“, so Christina Schultheiß.

Sie selbst hat bewiesen, zu welchen Leistungen diese Kraft fähig macht. Beispielsweise, indem sie ihren Kindheitswunsch gegen den Willen der Mutter durchsetzte. Vom vierten Lebensjahr an wollte sie Straßenbauer wie der Vater werden. Aus Gehorsam lernte sie zunächst Schneiderin, studierte zwei Semester an der Europäischen Meisterakademie und besuchte eine Meisterschule in München, um schließlich doch ins väterliche Geschäft einzusteigen.

Nach der Hochzeit zog die gebürtige Sächsin nach Thüringen. Ihr Mann kam gelähmt aus dem Krieg zurück und starb nach sieben Jahren schwerer Krankheit. Die zwei Kinder musste sie als Witwe allein großziehen. Ihre Arbeit als Straßenbaumeisterin in Ostthüringen forderte sie ebenfalls, zudem investierte sie viel Zeit in ihre Ehrenämter. So musste sie einmal pro Monat mit dem Trabant zur Konferenz der Kirchenleitungen nach Berlin fahren.

Auch im Ruhestand ist Christina Schultheiß aktiv. Unter anderem organisiert sie von ihrem Wohnort Pillingsdorf aus Treffen der Bekennenden Frauen in Thüringen, engagiert sich im Denkmalschutz und als Ortschronistin.

Hinweis an die Redaktionen: Anbei finden Sie ein Foto von Christina Schultheiß.

Download:
Schultheiss
(JPG, 370 KB)

RÜCKFRAGEN

Christiane Baumgarten, Pastorin in Pillingsdorf, 036481-23268

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