PM 111 | 30.07.2012
Tschechischer Pfarrer predigt zum Altvaterturmfest

Wichtiges Signal zur Rechtsextremismus-Debatte in Thüringen

Mit einem ökumenischen Gottesdienst wird am kommenden Samstag (4. August, 10.30 Uhr, Freilichtbühne oder Festzelt) in Lehesten im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt das traditionelle Altvaterturmfest eröffnet. Die Predigt hält Senior (Superintendent) Lubomir Kabiček aus Nove Mesto na Morave aus Tschechien, die Bläsergruppe Leutenberg sorgt für die musikalische Begleitung. Zu dem Gottesdienst treffen sich evangelische und katholische Christen von beiden Seiten der ehemaligen Grenze sowie Gäste aus dem tschechischen Altvatergebirge. Der Altvaterturm gilt als Ökumenisches Mahnmal der Erinnerung und Versöhnung in gemeinsamer Verantwortung der Evangelisch-Lutherischen und Römisch-Katholischen Kirche aus Deutschland sowie der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder aus Tschechien.

„Gerade jetzt, da Thüringen - allen Protesten zum Trotz - immer wieder als Hort rechtsextremer Kräfte dargestellt wird, halten evangelische und katholische Christen und die Bewohner ehemaliger Grenzregionen es für besonders wichtig, den Gedanken der Aussöhnung öffentlich zu bekräftigen und neuen Verführungen zu wehren“, betont OKR i.R. Ludwig Große aus Bad Blankenburg. Er hat die Geschichte von Altvaterturm und -fest von Anfang an mit erlebt.

„1961 wurde mit dem Bau der Mauer der Kontakt mit westdeutschen Partnergemeinden zunächst fast völlig unterdrückt“, erzählt Große. Aus der theologischen Überlegung „Wenn Gott uns eine Tür schließt, öffnet er dafür andere“ sei in einem Konvent junger Pfarrer aus Thüringen nach neuen Partnern gesucht worden. „In der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in der damaligen ČSSR fanden sich Partnerkirchengemeinden und Ostern 1964 predigte zur Wiedereinweihung der St. Michaeliskirche in Tannroda mit Lubomir Kabiček aus Jesenik im Altvatergebirge zum ersten Mal ein tschechischer Pfarrer“, so Große. Es folgten wechselseitige Besuche von Gruppen Junger Gemeinde und gemeinsame Bibelrüstzeiten.

Während der Okkupation der ČSSR durch die Truppen der Warschauer Pakt-Staaten am 21. August 1968 verfassten die thüringischen Partner eine Kanzelabkündigung, die in den Gemeinden der Region verlesen wurde. Außerdem gab es Solidaritätsschreiben an die betroffenen evangelischen Gemeinden in der ČSSR sowie Protestschreiben an Tageszeitungen und an die für Verständnis gegenüber der DDR-Regierung werbende CDU. „Die Verbindung blieb bis heute bestehen“, berichtet Große. So ist jedes Jahr am ersten Samstag im August ein tschechischer Pfarrer beim Altvaterturmfest mit einer Predigt oder einem Grußwort zu Gast.

Der Altvaterturm gilt als Versöhnungsmal zwischen Deutschen und Tschechen sowie zugleich zwischen West und Ost. Der Verband der Vertriebenen aus dem Altvatergebirge hatte in Lehesten einen Ort gefunden, um den gesprengten Altvaterturm als Erinnerung an die alte Heimat wieder aufzubauen. Der Turm entstand an der Stelle, wo einst der Wetzsteinturm stand - ein Aussichtsturm, den die NVA gesprengt und stattdessen eine Radarstation zum Hineinlauschen in die bayerischen Regionen errichtet hatte.

Der Neubau auf der ehemaligen Grenzlinie zwischen Bayern und Thüringen wurde als Ökumenisches Versöhnungsmal in gemeinsamer Verantwortung der drei Kirchen geplant. Um dies geistlich auszudrücken, baute der Altvater-Turm-Verein mit der Kirchengemeinde Lehesten im Untergeschoss des Turmes eine Elisabethkapelle ein. Sie wurde 2004 eingeweiht. Die Kapelle erinnert an die ungarische Königstochter Elisabeth, die ihre Heimat verließ, in Thüringen heimisch wurde und sich derer annahm, die Hilfe und Geborgenheit suchten. Der Ruf zur Aussöhnung wird bekräftigt, indem in Turm und Kapelle die Namen vieler Städte und Dörfer ehemals deutscher Gemeinden in Stein gemeißelt wurden.

Weitere Informationen im Internet: www.altvaterturm.de

Hinweis an die Redaktionen: Anbei finden Sie ein Foto des Altvaterturms.

Download:
altvaterturm.jpg
(Dateigröße 703 KByte)

RÜCKFRAGEN

OKR i.R. Ludwig Große, 036741-3133

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