PM 054 | 12.04.2019
Umgang mit „Naziglocken“

Vertreter aus den Gemeinden wollen Glocken schweigen lassen 
Anlass für Aufarbeitung mit beschämender Vergangenheit 

Sämtliche Vertreter der Gemeinden, in denen Glocken mit Symbolen oder Inschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus hängen, haben sich heute (12.4.) bei einer Zusammenkunft im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) darauf verständigt, sich in ihren Gemeinden dafür einzusetzen, dass diese Glocken nicht mehr geläutet werden. Sechs der insgesamt neun Glocken schweigen bereits, in zwei Gemeinden steht noch eine Entscheidung des zuständigen Gemeindekirchenrates aus. 

Geplant ist eine wissenschaftliche Dokumentation und Aufarbeitung in Kooperation der EKM mit dem Lutherhaus in Eisenach und der Jenaer Universität. Die Kirchengemeinden werden jeweils eigenständig diskutieren, wie sie mit ihren Glocken umgehen werden. In zwei Gemeinden besteht beispielsweise die Idee, Versöhnungsglocken zu gießen. Auch eine Abgabe an Museen steht im Raum. Die Landeskirche hat für einzelne Lösungen Unterstützung zugesagt. 

Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, Gemeindedezernent der EKM, hatte zu dem heutigen Treffen eingeladen. „Ich bin froh darüber, dass wir in der Diskussion um die Glocken vorangekommen sind. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen beschämenden Zeugnissen unserer Geschichte nehmen wir sehr ernst. Wir müssen schnellstmöglich Lösungen finden. Dies gebietet der Respekt vor den Opfern des Nazi-Regimes und vor unseren jüdischen Mitbürgern. Außerdem hat die Verherrlichung der Naziideologie durch die Deutschen Christen den christlichen Glauben selbst in Frage gestellt.“ Fuhrmann kündigte an, die Gemeinden noch vor der Sommerpause zu einem erneuten Treffen einzuladen.

Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, der an dem Treffen teilgenommen hatte: „Ich habe eine offene Diskussion erlebt. Ganz unabhängig davon, wie im Einzelnen die Gemeinden mit den Naziglocken umgehen werden, folgen alle der Empfehlung der Landesbischöfin, sich in den Gemeinden für ein Schweigen der Glocken einzusetzen. Wichtig ist, dass die Auseinandersetzung mit den Glocken zugleich ein Ausgangspunkt ist, damit sich die Gemeinden der eigenen Verantwortung für ihr Verhalten während der Nazizeit stellen und Rückschlüsse für die Zukunft ziehen – um der Menschlichkeit willen. Mein Eindruck ist, das wollen alle, die bei der Besprechung anwesend waren.“ 

Nach einer Strafanzeige gegen die Landeskirche und Landesbischöfen Ilse Junkermann wegen der Glocken hatte die Thüringer Staatsanwaltschaft mitgeteilt, sie sehe bei den Glocken keine öffentliche Verwendung von Nazisymbolen. Auch werde mit dem Läuten nicht die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt.

Im Eisenacher Lutherhaus wird derzeit eine Ausstellung vorbereitet, in er es um das sogenannte „Entjudungsinstitut“ geht. Elf evangelische Landeskirchen hatten am 6. Mai 1939 in Eisenach das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ gegründet, um Kirche und christlichen Glauben an die nationalsozialistische Ideologie anzupassen. 

 

Hinweis an die Redaktionen: 

Dieser Pressemitteilung hängt die Liste der betroffenen Gemeinden in der EKM an. 

Ansprechbar für Medienanfragen sind diese Gemeinden: 
Leutersdorf, Pfr. Michael Wendel, 0170-9643267
Rettgenstedt, Egbert Geißler, Vors. GKR, 0173-3784572
Rettgenstedt, Christian Beck, 03635-401750
Gossa, Pfr. Albrecht Henning, 0176-57635628

RÜCKFRAGEN

Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, 0361 51800301

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