PM 114 | 23.12.2016
Weihnachtswort von Landesbischöfin Ilse Junkermann
BEI RÜCKFRAGEN
Bei Rückfragen: Friedemann Kahl, 0151-59128575„Wir können friedlich miteinander leben.“
Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, stellt in ihrem Weihnachtswort die „Christrose“ in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung:Es gibt Tage, an denen es nicht hell zu werden scheint. So wie an den vergangenen Tagen nach dem menschenverachtenden Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt. Man möchte am liebsten in der Wohnung bleiben, sich hinter den eigenen vier Wänden verkriechen, wie die Blumen im Winter unter der Erde.
Allerdings: Da gibt es eine Blume, die auch an kalten Tagen und gerade zu Weihnachten blüht: die Christrose. Unsere Vorfahren haben ihr diesen Namen als Symbol für Christus gegeben. Sie erzählt uns bis heute, was Weihnachten bedeutet:
So wie die Christrose kaum vom Schnee zu unterscheiden ist, so nah kommt Gott uns Menschen. Als Mensch wie Du und ich. Er will einer von uns sein: Ein Mensch, geboren im Stall, angewiesen auf Hilfe. Damit er uns versteht, von unten, von der Tiefe des Lebens her. So steht er Dir und mir zur Seite. Und so wie die Christrose im kalten Winter wächst, so setzt sich Gott der Kälte der Welt aus. Ja, er trotzt ihr. Denn wo die Christrose wächst, da wird Energie frei und der Schnee schmilzt. Wo Jesus hinkam, da hat er die Menschen zusammengebracht, hat Gemeinschaft gestiftet. Da hat sich soziale Wärme entwickelt und ist lebendige Hoffnung gewachsen.
Wie sehr brauchen wir eine solche Blume! In unserem Land steigt die Angst: vor dem Fremden, vor der weltweit zunehmenden Aggression und Gewalt. Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat uns tief erschüttert. Wir fühlen mit den Angehörigen der Opfer, mit den vielen Verletzten, mit jenen, die die fürchterliche Tat miterleben mussten, mit den Rettungskräften. Wie sollen wir Weihnachten feiern, angesichts solcher Taten? Wie sollen wir an die frohe Botschaft vom Frieden glauben?
Viele suchen Sicherheit hinter Mauern und fragen sich: Ist es nicht besser, sich abzuschotten? Und wer die Bilder von Krieg und Terror sieht – wer will da nicht lieber abschalten und sich verkriechen?
Die Christrose zeigt eine echte Alternative: Sie blüht auch im härtesten Winter. Diesen Weg geht Gott. Er wird menschlich. So hält er die Liebe in der Welt lebendig. So können auch wir leben, ohne hart und kalt zu werden. Wir können blühen – mitten in der Kälte. Wir können uns öffnen. Mitgefühl ist unser lebendiger Impuls. Nicht die Gnadenlosigkeit oder Resignation.
Für jeden gilt die Botschaft: Du bist ein Mensch unter Menschen, geliebt und einzigartig; so wie Dein Mitmensch, auch wenn er anders denkt, anders glaubt und anders lebt. Wir können friedlich miteinander leben. Ob die Christrose auch zu uns sprechen kann, wie zu früheren Generationen? Und uns Mut macht, unsere Umgebung zum Dialog und zur Toleranz anzustiften. Dass wir uns zeigen und uns nicht verstecken; dass wir von Gottes Menschenfreundlichkeit für alle Menschen sprechen; dass wir aufmerksam sind auf die, die man leicht übersieht, weil sie so unscheinbar sind, wie die Christrose mitten im Schnee, und genau hinsehen und hinhören.
Die Christrose ist ein Zeichen für Christus. Martin Luther hat die Christrose als Lutherrose zu seinem Wappen gemacht: ‚Christus allein soll mir den Weg weisen. Ihm allein will ich folgen.’ So feiern wir im Jahr 2017 500 Jahre Reformation als ein Christusfest und folgen seiner Einsicht: Christus weist uns den Weg zu wahrer Menschlichkeit, zu Mitmenschlichkeit. Da blühen Blumen, selbst im Winter! Und Freundlichkeit und Gerechtigkeit in einer rauen und kalten Welt. Da wird es wie Frühling im Winter, wenn unsere Herzen und unsere Welt sich zu wahrer Menschlichkeit re-formieren, zurück-formen lassen! Ich wünsche allen Menschen in unserem Land frohe und friedliche Weihnachten!