PM 005 | 07.01.2025
Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog wird viermal vergeben

Engagierte aus Halberstadt und Waltershausen erhalten Hauptpreis

In diesem Jahr gibt es insgesamt vier Preisträgerinnen und Preisträger für den Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Für ihr langjähriges Engagement im christlich-jüdischen Dialog und die Bewahrung jüdischen Erbes erhalten Jutta Dick aus Halberstadt und Uwe Adam aus Gotha den mit jeweils 1.000 Euro dotierten Hauptpreis. Die öffentliche Preisverleihung findet am 22. Januar zum Toralerntag in Erfurt statt. Außerdem werden Sonderpreise für schulisches Engagement mit einer jeweiligen Dotierung von 500 Euro verliehen: An die Grundschule Miriam Lundner in Halberstadt und die AG Stolperstein am Geschwister-Scholl-Gymnasium Gardelegen.

Zu den Preisträgern und Preisträgerinnen:
Jutta Dick hat als Geschäftsführerin der Moses-Mendelsohn-Akademie in Halberstadt seit den 1990-Jahren unermüdlich daran gearbeitet, das jüdische Leben in Halberstadt zu erforschen und sichtbar zu machen. Dabei war es ihr wichtig, dazustellen, welchen Beitrag das Judentum zur kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung geleistet hat. Sie unterhält Beziehungen zu ehemaligen Halberstädter Juden aus aller Welt, sammelt Informationen, bebildert Lebensläufe ermordeter Jüdinnen und Juden und ist mit den Nachkommen im Gespräch. Daraus entstand 2001 das sehenswerte Berend-Lehmann-Museum, das nicht nur an die jüdische Geschichte dieses Ortes erinnert, sondern auch detailliertes Sachwissen über das Judentum weitergibt. Die Jury des Werner-Sylten-Preises würdigt Jutta Dicks jahrzehntelanges berufliches Engagement, das sie über den Ruhestand hinaus aktiv fortführt. „Durch diese Arbeit ist die jüdische Geschichte Halberstadts ein fester Bestandteil des öffentlichen Lebens geworden. Dies wird in zahlreichen Kooperationen mit den Kirchen, der Stadtgesellschaft, Kultureinrichtungen, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sichtbar“, so die Jury.

Uwe Adam aus Waltershausen widmet sich seit vielen Jahren beruflich als Lehrer am Salzmann-Gymnasium in Schnepfenthal sowie privat intensiv den Themen Judentum und jüdische Geschichte. Mit seinen Schulklassen führt er dazu regelmäßig Projekte durch und besucht jüdische Gedenkstätten in Thüringen. In Gotha bietet er thematische Stadtführungen zur christlich-jüdischen Geschichte an. Dabei gelingt es ihm, seine Zuhörer zu berühren und ein größeres Verständnis für die gemeinsame christlich-jüdische Geschichte zu schaffen. Die Spenden, die er dabei sammelt, fließen ausschließlich in die Restaurierung jüdischer Grabsteine in Gotha. Darüber hinaus unterstützt Uwe Adam durch umfangreiche historische Recherchen die Verlegung von Stolpersteinen in Gotha. Er sucht und pflegt Kontakte zu den Nachfahren ehemaliger jüdischer Bewohnerinnen und Bewohner Gothas. Die Jury des Werner-Sylten-Preises würdigt den beständigen Einsatz von Uwe Adam, jüdische Geschichte in Gotha einfühlsam und anschaulich zu vermitteln, Erinnerungen wachzuhalten und das jüdische Erbe zu bewahren.

Die Grundschule „Miriam Lundner“ in Halberstadt ist engagiert als „Schule gegen das Vergessen“. Sie trägt den Namen eines kleinen jüdischen Mädchens, das am 12. April 1942 im Alter von vier Jahren mit seinen Geschwistern und den Eltern aus Halberstadt deportiert wurde. Im Schulalltag setzen sich die Kinder altersgerecht mit der jüdischen Geschichte Halberstadts auseinander. Regelmäßig gestalten Schülerinnen und Schüler auch das Rahmenprogramm zur Gedenkfeier der Deportation der letzten jüdischen Einwohner mit. Die Schule wurde als eine der ersten Grundschulen in das Netzwerk „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage.“ aufgenommen. Zu den Projekten zählen Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden und Nachfahren ehemaliger Halberstädter Jüdinnen und Juden. Die Jury würdigt, dass bereits im Grundschulalter Kindern ein altersgemäßer Umgang mit der Geschichte von Ausgrenzung und Diskriminierung eröffnet und in den Schulalltag integriert wird.

In der AG Stolperstein am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Gardelegen sind seit 2013 Jugendliche engagiert. Sie setzen sich für Stolperstein-Verlegungen in Gardelegen ein und beschäftigen sich mit den Schicksalen jüdischer Menschen. Unter Begleitung der Geschichtslehrerin Nadja Müller organisieren sie ihre Arbeit selbst und geben ihr Wissen an jüngere Schülerinnen und Schüler weiter, so dass die Arbeit immer wieder fortgesetzt wird. Am Pogromgedenken am 9. November in Gardelegen wirkt die Stolperstein-AG mit, ebenso bei Gedenkveranstaltungen an der KZ-Gedenkstätte Isenschnibbe. Neben ihren Recherchen und der Weitergabe des Wissens innerhalb der Schule und darüber hinaus pflegen die Schülerinnen und Schüler auch Kontakte zu Angehörigen von Opfern. Die Jury würdigt das ehrenamtliche Engagement von Schülerinnen und Schülern, das sie weitgehend selbst organisieren und über viele Jahre verlässlich an neue Generationen weitergeben.

Hintergrund:
Mit einem Beschluss der 2. Landessynode hat sich die EKM verpflichtet, jeder Form von Antisemitismus zu widersprechen, in Lehre und Leben das religiöse Selbstverständnis des Judentums zu achten, für Religionsfreiheit einzustehen und der Entrechtung, Diskriminierung und Zerstörung jüdischen Lebens entgegenzutreten sowie den Reichtum der jüdischen Schriftauslegung wahrzunehmen und sich mit antijüdischen Interpretationen der Bibel auseinanderzusetzen. In der Folge wurde der Werner-Sylten-Preis ins Leben gerufen. Mit ihm werden Projekte ausgezeichnet, die die Selbstverpflichtung im Raum der Landeskirche umsetzen.

Werner Sylten war ein evangelischer Theologe, der 1936 wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Pfarrdienst entlassen wurde. Er half mit, das Leben von mehr als tausend „nichtarischen“ Christen zu retten. 1942 ermordeten ihn die Nazis. 1979 wurde ihm von der Gedenkstätte „Yad Vashem“ der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen.

RÜCKFRAGEN

Charlotte Weber, 0361-51800331


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