PM 95 | 06.09.2010
Evangelische Kirche startet Aufruf zur Abschaffung der Residenzpflicht
BEI RÜCKFRAGEN
Petra Albert, 0157-84932199Zahlreiche Thüringer Prominente gehören zu den Erstunterzeichnern
Aufruf kann im Internet unterzeichnet werden
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) bekräftigt mit einem heute veröffentlichten Aufruf ihre Forderung, die Residenzpflicht für Asylbewerber zunächst auf ganz Thüringen auszudehnen und perspektivisch bundesweit abzuschaffen. Zu den Erstunterzeichnern gehören Landesbischöfin Ilse Junkermann sowie Regionalbischöfe der EKM, Katrin Göring-Eckardt als Präses der EKD-Synode, Wolf von Marschall als Präses der Landessynode der EKM, Diakonie-Chef Eberhardt Grüneberg, Präsidentin Brigitte Andrae sowie Dezernenten des Landeskirchenamtes der EKM, Dr. Michael Knoche als Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Stephan Märki als Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, die Schriftsteller Matthias Biskupek und Landolf Scherzer sowie Politiker und Vertreter von Hochschulen, Museen, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden aus Thüringen. Der Aufruf steht im Internet unter www.ekmd.de und kann dort unterzeichnet werden.
Die Unterzeichner fordern die Thüringer Landesregierung auf, die geplante Lockerung der Residenzpflicht deutlich großzügiger zu gestalten als geplant und den erlaubnisscheinfreien Aufenthalt für Asylbewerber und Menschen mit einer Duldung im gesamten Freistaat Thüringen zu ermöglichen. Zudem wird die Landesregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Abschaffung der Residenzpflicht einzusetzen. „Andere Bundesländer erlauben den Asylbewerbern und den Inhabern einer Duldung bereits, sich im ganzen Land zu bewegen. Das ist auch für Thüringen notwendig“, heißt es in dem Aufruf.
Begründet wird der Aufruf damit, dass die Residenzpflicht Flüchtlinge daran hindert, unabhängige Beratungsstellen zu erreichen sowie Ärzte aufzusuchen, die auf die Behandlung von Flüchtlingen spezialisiert sind. Gleichzeitig befördere die Residenzpflicht die soziale Ausgrenzung. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Kultur, Religion, Politik), die Arbeitssuche und der Besuch von Verwandten, Freunden und Bekannten werde unnötig erschwert. Die Residenzpflicht verschärfe die psychisch angespannte Situation der Flüchtlinge und schränke die Wahrnehmung von Grundbedürfnissen in einer EU-weit einmaligen Weise ein, so der Aufruf.
Hintergrund:
Asylbewerber dürfen sich bisher in Thüringen grundsätzlich nur in dem von der Ausländerbehörde zugewiesenen Gebiet und damit nur in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt aufhalten. Falls sie das Gebiet verlassen wollen, brauchen sie in der Regel eine Verlassenserlaubnis, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden muss. In einem Antrag fordert die Fraktion der FDP im Thüringer Landtag, dass eine Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber im Freistaat geprüft werden soll. Diesen Antrag hat der Innenausschuss zum Anlass für eine schriftliche Anhörung zum Thema genommen. Die Landesregierung hat einen „Entwurf einer Thüringer Verordnung über den vorübergehenden Aufenthalt von Asylbewerbern außerhalb des Bereichs der Aufenthaltsgestattung“ vorgelegt und ebenfalls ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. In dem Entwurf wird das frei zugängliche Gebiet für Asylbewerber lediglich auf angrenzende Landkreise und kreisfreie Städte erweitert.