PM 95 | 06.09.2010
Evangelische Kirche startet Aufruf zur Abschaffung der Residenzpflicht

Zahlreiche Thüringer Prominente gehören zu den Erstunterzeichnern
Aufruf kann im Internet unterzeichnet werden

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) bekräftigt mit einem heute veröffent­lichten Aufruf ihre Forderung, die Residenzpflicht für Asylbewerber zunächst auf ganz Thü­ringen auszudehnen und perspektivisch bundesweit abzuschaffen. Zu den Erstunterzeichnern gehören Landesbischöfin Ilse Junkermann sowie Regionalbischöfe der EKM, Katrin Göring-Eckardt als Präses der EKD-Synode, Wolf von Marschall als Präses der Landessynode der EKM, Diakonie-Chef Eberhardt Grüneberg, Präsidentin Brigitte Andrae sowie Dezernenten des Landeskirchenamtes der EKM, Dr. Michael Knoche als Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Stephan Märki als Generalintendant des Deutschen Nationalthe­aters Weimar, die Schriftsteller Matthias Biskupek und Landolf Scherzer sowie Politiker und Vertreter von Hochschulen, Museen, Gewerkschaften, Vereinen und Ver­bänden aus Thürin­gen. Der Aufruf steht im Internet unter www.ekmd.de und kann dort unterzeichnet werden.

Die Unterzeichner fordern die Thüringer Lan­desregierung auf, die geplante Lockerung der Residenzpflicht deutlich großzügiger zu gestalten als geplant und den erlaubnisscheinfreien Aufenthalt für Asylbewerber und Menschen mit einer Duldung im gesamten Freistaat Thürin­gen zu ermöglichen. Zudem wird die Lan­desregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Abschaffung der Residenzpflicht einzusetzen. „Andere Bundesländer erlauben den Asyl­bewerbern und den Inhabern einer Duldung bereits, sich im ganzen Land zu bewegen. Das ist auch für Thüringen notwendig“, heißt es in dem Aufruf.

Begründet wird der Aufruf damit, dass die Residenzpflicht Flüchtlinge daran hindert, unab­hängige Beratungsstellen zu erreichen sowie Ärzte aufzusuchen, die auf die Behandlung von Flüchtlingen spezialisiert sind. Gleichzeitig befördere die Residenzpflicht die soziale Aus­grenzung. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Kultur, Religion, Politik), die Arbeits­suche und der Besuch von Verwandten, Freunden und Bekannten werde unnötig erschwert. Die Residenzpflicht verschärfe die psychisch angespannte Situation der Flüchtlinge und schränke die Wahrnehmung von Grundbedürfnissen in einer EU-weit einmaligen Weise ein, so der Aufruf.

Hintergrund:
Asylbewerber dürfen sich bisher in Thüringen grundsätzlich nur in dem von der Ausländerbe­hörde zugewiesenen Gebiet und damit nur in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt aufhalten. Falls sie das Gebiet verlassen wollen, brauchen sie in der Regel eine Verlassenser­laubnis, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden muss. In einem Antrag fordert die Fraktion der FDP im Thüringer Landtag, dass eine Lockerung der Residenzpflicht für Asyl­bewerber im Freistaat geprüft werden soll. Diesen Antrag hat der Innenausschuss zum Anlass für eine schriftliche Anhörung zum Thema genommen. Die Landesregierung hat einen „Ent­wurf einer Thüringer Verordnung über den vorübergehenden Aufenthalt von Asylbewerbern außerhalb des Bereichs der Aufenthaltsgestattung“ vorgelegt und ebenfalls ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. In dem Entwurf wird das frei zugängliche Gebiet für Asyl­bewerber lediglich auf angrenzende Landkreise und kreisfreie Städte erweitert.

RÜCKFRAGEN

Petra Albert, 0157-84932199

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