25.01.2021
Bedford-Strohm lehnt Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen ab | Lilie für wertegebundene Beratung für Sterbewillige
Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat seine ablehnende Haltung gegenüber einer Beteiligung evangelischer Einrichtungen bei der Suizidassistenz bekräftigt.
"Die aktive Beendigung menschlichen Lebens kann für uns nie als normale Option gelten", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd) und ergänzte: "Ich fühle mich dem Lebensschutz verpflichtet." Unterdessen verteidigte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie seinen Vorstoß für die Möglichkeit von Suizidassistenz in kirchlichen Einrichtungen.
Bedford-Strohm sagte, die Kirche dürfe nicht Teil eines Prozesses werden, "an dessen Ende der Suizid eines Menschen stehen soll". So dürfe auch die Beratung betroffener Menschen "nicht nur die zu absolvierende Vorstufe dafür sein, dass ein Mensch alle Mittel für den Suizid zur Verfügung gestellt bekommt". Bedford-Strohm verwies auf andere Möglichkeiten der Begleitung wie palliative Begleitung, Schmerzmedizin und eine gute seelsorgerliche Unterstützung. "Schon jetzt kann mir mit guten Gründen niemand eine lebensverlängernde Maßnahme verordnen, die ich nicht will", sagte der Theologe.
Der bayerische Landesbischof sagte zugleich, die Kirche müsse sich davor hüten, Menschen moralisch zu verurteilen, die sich das Leben nehmen. "Das hat man leider in der Vergangenheit getan", sagte er und verwies auf die Verweigerung kirchlicher Beerdigungen. "Das empfinde ich als Schuld der Kirche", sagte Bedford-Strohm. "Daraus kann man aber nicht ableiten, dass man organisatorisch tätig wird, damit Menschen ihr Leben beenden können."
Diakonie-Präsident Lilie und andere Vertreter der evangelischen Kirche hatten mit ihrem Plädoyer, Suizidassistenz auch in eigenen Einrichtungen nicht auszuschließen, eine neue Debatte entfacht. Bedford-Strohm sagte, es gehe jetzt darum, in diesem Spannungsfeld einen konkreten Weg zu finden. Der Rat der EKD lehnt Suizidassistenz in evangelischen Einrichtungen ab. Die Diskussion über dessen Position müsse ergebnisoffen geführt werden, sagte Bedford-Strohm, fügte aber auch hinzu: "Ich erwarte nicht, dass sie sich grundlegend ändern wird."
Lilie verteidigte den Vorstoß für die Möglichkeit eines assistierten Suizids in evangelischen Einrichtungen, den er zusammen mit weiteren Theologen in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (11. Januar) unternommen hatte. "Wir müssen jetzt die Debatte führen können, ohne dass uns der Vorwurf gemacht wird, wir seien mit der Giftspritze unterwegs", sagte der Diakonie-Präsident in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag).
Lilie sprach sich erneut für eine Beratungslösung für Sterbewillige aus: "Ich kann mir vorstellen, dass man bestens qualifizierte Menschen hat, Seelsorger, die Anwältinnen und Anwälte des Lebens sind, die sicherstellen, dass dies wirklich eine selbstbestimmte Entscheidung ist." Lilie rückte zugleich von einer Formulierung in dem Gastbeitrag ab: "Wir haben geschrieben, dass die Beratung 'neutral' sein müsse. Das ärgert mich im Nachhinein. Es muss heißen: ergebnisoffen, aber wertegebunden. Natürlich sind wir nicht neutral in dieser Frage."
Die Verfasser des Beitrags reagierten auf die Debatte um eine mögliche Neuregelung, nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das Verbot organisierter Suizidassistenz etwa durch Sterbehilfeorganisationen gekippt hatte.
Appelle zum Holocaust-Gedenktag | Josef Schuster: NS-Aufarbeitung muss in jeder Generation stattfinden
Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar wird in Deutschland bundesweit an die Nazi-Gräuel erinnert. Die Aufarbeitung der NS-Zeit müsse weiter "in jeder Generation stattfinden", Deutschland könne vor seiner Vergangenheit "nicht davonlaufen und in der Gegenwart nicht wegschauen", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Montag in Würzburg bei einem Gedenkakt des bayerischen Landtags zusammen mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Viele Politiker riefen zum Gedenken an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus auf. Am Mittwoch findet dazu die traditionelle Gedenkstunde im Bundestag statt.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, verlangt von Polizei und Justiz einen härteren Kurs im Umgang mit Rechtsradikalen. "Wir müssen in der Justiz viel mehr tun", sagte Fürst dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag. Durch richterliche "Streicheleinheiten" ließen sich rechtsgerichtete Gruppen nicht beeindrucken. Das sei vielen Richtern und Staatsanwälten jedoch nicht hinreichend deutlich. Die Anklageerhebung und die Eröffnung der Verfahren dauerten oft viel zu lange, kritisierte Fürst. "Und dann muss der Prozess schnell erledigt werden. Aber das geht nicht."
Auch die Polizei müsse mehr Stärke gegenüber rechten Gruppen zeigen dürfen. Der Rechtsanwalt Michael Fürst steht seit 40 Jahren an der Spitze des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Montag, der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar sei und bleibe ein zentrales Datum der deutschen Erinnerungskultur. Dabei gehe es auch um die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Müller betonte, man müsse sich immer wieder bewusstmachen, wie fragil eine Demokratie sein könne, und dass sie täglich geschützt werden müsse.
Mit einer neuen Wanderausstellung unter dem Titel "Toleranz-Tunnel" soll ab September auf öffentlichen Plätzen in Deutschland über die verheerenden Auswirkungen von Intoleranz informiert und gegenseitiger Respekt gefördert werden. Der dafür gegründete Verein stellte das Projekt am Montag in Berlin vor. Vier Wände, aufgebaut in Form eines Tunnels, sollen über den Völkermord an den Juden und andere Genozide informieren sowie deren Ursachen schildern und die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Menschenhass deutlich machen. Die Schirmherrschaft für das Projekt hat der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, übernommen.
Der Bundestag gedenkt am Mittwoch der NS-Opfer. Gastrednerinnen sind die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und die Publizistin Marina Weisband. Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Im Jahr 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog (1934-2017) den 27. Januar zum nationalen Gedenktag erklärt.
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