26.01.2021
Digitale ökumenische Gedenkfeier aus dem Erfurter Augustinerkloster

Erfurt (epd). Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama hat die Thüringer zur Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte aufgerufen.

Das sollte schon aus reiner Neugier geschehen, ohne gleich eine mögliche Schuld oder Verstrickung der Groß- oder Urgroßeltern in die Schoah zu hinterfragen, sagte er in einem am Montag veröffentlichten Video zum Gedenktag an die Opfer des Holocaust am 27. Januar. Aus der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte könne auch die Verantwortung erwachsen, den aktuellen Formen des Antisemitismus entgegenzutreten.

Im Gespräch mit Augustiner-Pfarrer Bernd Prigge ging der Landesrabbiner auch auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle ein. Gotteshaus und Struktur der Gemeinde in Erfurt seien mit der in Halle gut zu vergleichen. Daher hätten die schrecklichen Ereignisse zu einer großen Verunsicherung unter den Erfurter Juden geführt.

Nachama erinnerte vor dem Hintergrund des laufenden Themenjahres "900 Jahre Jüdisches Leben in Thüringen" an die reiche gemeinsame Historie. Er freue sich über die vielen Initiativen im Land, "das Judentum als etwas zu begreifen, das schon immer hier war und ganz selbstverständlich dazugehören sollte".

Das Video sei entstanden, um auch unter Corona-Bedingungen an die Toten der NS-Diktatur erinnern zu können, sagte Augustinerpfarrer Bernd Prigge. Es bilde die traditionelle ökumenische Feierstunde im Evangelischen Augustinerkloster in einem digitalen Rahmen ab. Wie in den Jahren zuvor sei auch das Online-Gedenken zusammen von Erfurts Katholischem Dekanat, Evangelischem Kirchenkreis und Jüdischer Landesgemeinde gestaltet worden.

Appelle zum Holocaust-Gedenktag | Josef Schuster: NS-Aufarbeitung muss in jeder Generation stattfinden

Berlin/Frankfurt a.M. (epd). Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar wird in Deutschland bundesweit an die Nazi-Gräuel erinnert. Die Aufarbeitung der NS-Zeit müsse weiter "in jeder Generation stattfinden", Deutschland könne vor seiner Vergangenheit "nicht davonlaufen und in der Gegenwart nicht wegschauen", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Montag in Würzburg bei einem Gedenkakt des bayerischen Landtags zusammen mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Viele Politiker riefen zum Gedenken an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus auf. Am Mittwoch findet dazu die traditionelle Gedenkstunde im Bundestag statt.

Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, verlangt von Polizei und Justiz einen härteren Kurs im Umgang mit Rechtsradikalen. "Wir müssen in der Justiz viel mehr tun", sagte Fürst dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag. Durch richterliche "Streicheleinheiten" ließen sich rechtsgerichtete Gruppen nicht beeindrucken. Das sei vielen Richtern und Staatsanwälten jedoch nicht hinreichend deutlich. Die Anklageerhebung und die Eröffnung der Verfahren dauerten oft viel zu lange, kritisierte Fürst. "Und dann muss der Prozess schnell erledigt werden. Aber das geht nicht."

Auch die Polizei müsse mehr Stärke gegenüber rechten Gruppen zeigen dürfen. Der Rechtsanwalt Michael Fürst steht seit 40 Jahren an der Spitze des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Montag, der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar sei und bleibe ein zentrales Datum der deutschen Erinnerungskultur. Dabei gehe es auch um die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Müller betonte, man müsse sich immer wieder bewusstmachen, wie fragil eine Demokratie sein könne, und dass sie täglich geschützt werden müsse.

Mit einer neuen Wanderausstellung unter dem Titel "Toleranz-Tunnel" soll ab September auf öffentlichen Plätzen in Deutschland über die verheerenden Auswirkungen von Intoleranz informiert und gegenseitiger Respekt gefördert werden. Der dafür gegründete Verein stellte das Projekt am Montag in Berlin vor. Vier Wände, aufgebaut in Form eines Tunnels, sollen über den Völkermord an den Juden und andere Genozide informieren sowie deren Ursachen schildern und die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Menschenhass deutlich machen. Die Schirmherrschaft für das Projekt hat der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, übernommen.

Der Bundestag gedenkt am Mittwoch der NS-Opfer. Gastrednerinnen sind die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und die Publizistin Marina Weisband. Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Im Jahr 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog (1934-2017) den 27. Januar zum nationalen Gedenktag erklärt.

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Gedenkgottesdienst Holocaust  Foto: Kirchenkreis Erfurt

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