03.09.2024
Bischöfe in Thüringen besorgt über Wahlergebnis | Sächsische Bischöfe fordern Kompromissbereitschaft | Sorge wegen Rechtsruck
Erfurt (epd). Die evangelischen und katholischen Bischöfe in Thüringen haben sich besorgt über den Ausgang der Landtagswahl am Sonntag geäußert.
Der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer ermutigte die Politikerinnen und Politiker, neue Wege der Zusammenarbeit zu gehen. „Um eine Mehrheitsfähigkeit zu ermöglichen, braucht es wohl ein ganz neues Nachdenken darüber“, sagte Kramer am Montag in Erfurt. In Thüringen gewann die AfD die Landtagswahl deutlich mit 32,8 Prozent vor der CDU mit 23,6 Prozent. Das BSW errang 15,8 Prozent.
Es sei wichtig, nach zukunftsfähigen Lösungen zu suchen, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), zu deren Gebiet auch der überwiegende Teil Thüringens gehört. Bereits jetzt sei klar, dass es nicht einfach sei, eine Regierung zu bilden. Wichtig müsse dabei sein, miteinander Politik zum Wohle des Landes und der Menschen gestalten zu wollen.
Kramer erneuerte dabei seine ablehnende Haltung zur AfD. Zu der in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei habe sich die Kirchenleitung in dem Wort zum Wahljahr „Herz statt Hetze“ klar geäußert. „Wir bleiben bei dieser Meinung“, sagte der Theologe. Man werde weiterhin für ein weltoffenes und lebendiges Thüringen eintreten.
Der Erfurter katholische Bischof Ulrich Neymeyr sowie seine Amtskollegen aus Dresden-Meißen und Fulda, Heinrich Timmerevers und Michael Gerber, appellierten ebenfalls „an alle demokratischen Parteien, sich zum Wohle unseres Landes rasch auf eine arbeitsfähige Koalition zu einigen, auch jenseits bisher geübter Konstellationen“. Sie ermutigten alle Verantwortlichen, den Willen zur gemeinsamen Problemlösung über eigene parteipolitischen Ziele zu stellen. Thüringen gehört überwiegend zum Bistum Erfurt, Teile des Landes aber auch zu den Nachbardiözesen Dresden-Meißen und Fulda.
Der evangelische Bischof Kramer lobte die gestiegene Wahlbeteiligung. „Das zeigt, dass es vielen Menschen wichtig ist, wie die Gesellschaft gestaltet wird“, sagte der leitende Geistliche. Seine Kirche wolle sich für Verständigung einsetzen und dazu einladen, mehr ins Gespräch zu kommen. Dabei dürften auch strittige Themen wie Friedensfragen oder die Aufarbeitung der Corona-Zeit nicht ausgeklammert werden. Es gehe um den offenen Austausch „auch mit verschiedenen Ansichten“.
Nach EKM-Angaben plant die Evangelische Akademie Thüringen unter anderem am Mittwoch eine Online-Veranstaltung unter dem Motto „Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Seismografen der politischen Veränderungen in Deutschland?“
Die drei katholischen Bischöfe erklärten, man sei weiterhin offen und bereit, mit den Wählern der AfD den Dialog zu suchen. Allerdings betonten sie erneut, dass eine völkisch-nationalistische Programmatik, wie sie die AfD aus ihrer Sicht vertrete, nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar sei.
Man sei zudem in großer Sorge um das gesellschaftliche Klima in Thüringen, hieß es. Dass sich Menschen mit Migrationshintergrund nun um ihre Sicherheit sorgten und nicht wenige Menschen ernsthaft erwögen, Thüringen zu verlassen oder Unternehmen ihre Zukunft im Land infrage stellten, sei nicht hinnehmbar.
Sächsische Bischöfe fordern Gesprächs- und Kompromissbereitschaft
Dresden (epd). Die sächsischen Bischöfe Tobias Bilz und Heinrich Timmerevers rufen einen Tag nach der Landtagswahl zu Dialogbereitschaft im Parlament auf. „Als Bischöfe werben wir für einen neuen Umgang miteinander“, erklärten sie am Montag in Dresden in einem gemeinsamen Statement. Die Wahlergebnisse in Sachsen erforderten von den Abgeordneten neben einer klaren Haltung auch eine hohe Gesprächs- und Kompromissbereitschaft.
„Sowohl in der Politik als auch in der Zivilgesellschaft ermutigen wir dazu, sich selbst einzubringen, unterschiedliche Positionen auszuhalten und konstruktive Lösungen zu suchen“, erklärten der evangelische Landesbischof Tobias Bilz und der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, weiter. Keine Partei könne für sich allein den Bürgerwillen in Anspruch nehmen.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen erreichte die AfD laut dem vorläufigen Ergebnis 30,6 Prozent der Stimmen und liegt damit knapp hinter der CDU mit 31,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung bezifferte das Statistische Landesamt Sachsen auf 74,4 Prozent.
Die hohe Wahlbeteiligung zeige das große Interesse an politischer Mitbestimmung und gesellschaftlicher Gestaltung, erklärten die Bischöfe. Dahinter stünden „Hoffnungen von Menschen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden“.
Zugleich wiederholten die Bischöfe ihren Appell, Menschenfeindlichkeit sowie extremistischem und nationalistischem Gedankengut keinen Platz zu geben. „Aus unserer Sicht muss der Geist der Nächstenliebe, der Schutz der Menschenwürde und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts die Richtschnur sein“, hieß es.
Sorge nach den Landtagswahlen wegen Rechtsruck
Dresden/Erfurt (epd). Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wächst die Sorge wegen des Rechtsrucks in der Gesellschaft. In dem weiteren Erstarken der AfD sieht der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer eine Gefahr für die Demokratie. Die in Sachsen und Thüringen als rechtsextrem eingestufte Partei erreichte bei den Landtagswahlen am Sonntag in beiden Bundesländern jeweils mehr als 30 Prozent.
Die Ergebnisse zeigten, dass die AfD eine nachhaltige Stärke habe aufbauen können, sagte Vorländer dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dresden. Dass der Abstand der zwischen AfD und CDU in Sachsen so gering ausfällt, überrasche dann aber doch einigermaßen.
Laut den vorläufigen Wahlergebnissen für Sachsen liegt die CDU mit 31,9 Prozent knapp vor der AfD mit 30,6 Prozent. Das erstmals angetretenen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichte 11,8 Prozent der Stimmen. Die SPD kam auf 7,3 Prozent, die Grünen auf 5,1 Prozent. Die Linke erreichte 4,5 Prozent und zieht nur wieder in den sächsischen Landtag ein, weil sie zwei Direktmandate geholt hat. Über einen Sitz verfügen die Freien Wähler aufgrund eines Direktmandats.
In Thüringen gewann die AfD die Landtagswahl deutlich mit 32,8 Prozent vor der CDU mit 23,6 Prozent. Das BSW errang 15,8 Prozent.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zeigten sich entsetzt und zugleich besorgt über den gewachsenen Zuspruch für die AfD. Der Bund Lausitzer Sorben erklärte: Das Wahlergebnis sei „von historischer Brisanz und erfüllt die Sorben und ihre Dachorganisation mit großer Sorge für die Zukunft der Region, Deutschlands und Europas“. Die hohe Anzahl an Stimmen für rechtsextremistische und populistische Parteien sei „eine ernsthafte Herausforderung für unsere demokratische Gesellschaft“.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, erklärte in der „Bild“-Zeitung (Montag), die freie und offene Gesellschaft in Deutschland sei in Gefahr. Er verglich die Ergebnisse der AfD mit einem Wirkungstreffer in einem Boxkampf: „Deutschland taumelt“. Schuster äußerte sich besorgt, dass immer mehr Menschen die AfD aus politischer Überzeugung wählten.
Sorgen äußerte auch die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, Nora Goldenbogen. Seit Jahren hätten sich rechtsextreme Positionen in der Gesellschaft, im Alltag verfestigt. „Wir müssen aufpassen, dass diese Tendenz nicht weitergeht“, sagte sie und warnte vor einer weiteren Radikalisierung. „Wir haben keine Angst, wir haben größte Befürchtungen“, sagte Goldenbogen. Es müsse gelingen, dass sich demokratische Kräfte über politische und persönliche Interessen hinweg zusammenschließen.
Der evangelische Landesbischof Tobias Bilz und der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, riefen zu Gesprächs- und Kompromissbereitschaft auf und warben „für einen neuen Umgang miteinander“. Sachsens Diakonie-Chef Dietrich Bauer forderte „tragfähige Antworten für drängende soziale Themen“. Der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer ermutigt die Politikerinnen und Politiker in Thüringen, nach der Landtagswahl neue Wege der Zusammenarbeit zu gehen.
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