27.01.2022
Corona-Proteste als Indikator für Verdrossenheit | Kramer: Arbeit von ezra "konkrete Nächstenliebe"

Erfurt (epd). Thüringer Demokratieprojekte fordern eine kritische Auseinandersetzung mit den langfristigen und demokratiegefährdenden Entwicklungen bei den Protesten in der Corona-Pandemie.

Sie seien Ausdruck von bereits seit Jahren erodiertem Institutionenvertrauen und Verdrossenheit gegenüber Staat und Gesellschaft, warnten die Opferberatungen Mobit und ezra, das Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) sowie das Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Universität Jena (KomRex) in einer am Mittwoch in Erfurt veröffentlichten Erklärung.

Es gelte, antidemokratischer Agitation und Mobilisierung konsequenter entgegenzutreten. Dafür brauche es ein breites parteiübergreifendes Bündnis aller demokratischen Kräfte. Nötig sei zudem die schnelle und langfristige Stärkung von Zivilgesellschaft und Projekten im Bereich der Demokratieförderung. Nur dadurch könne der enormen Gefahr für die Demokratie in Thüringen dauerhaft begegnet werden.

In den anhaltenden Corona-Protesten im Freistaat sehen die vier Projekte „die größte rechtsextreme Mobilisierung seit Jahren“. Die dabei zu beobachtende und zunehmende Radikalisierung entwickele sich zu einer dauerhaften Krise für die Demokratie, warnen sie in ihrer gemeinsamen Erklärung. Die wöchentliche Teilnahme von thüringenweit bis zu Zehntausenden Menschen an den Protesten, die von demokratiefeindlichen Ideologien geprägt seien und die mit einer Zunahme von rechten Bedrohungen und Gewalt einhergehe, verdeutliche die hohe Eskalationsstufe.

„Auch wenn nur ein Teil der Protestierenden der extremen Rechten zugeordnet werden kann, so sind demokratiefeindliche Ideologien, wie Antisemitismus, Verschwörungserzählungen und Autoritarismus, der gemeinsame Nenner“, erklärte Romy Arnold von Mobit. Die fortgeschrittene Radikalisierung zeige sich auch anhand von rechten Bedrohungen und Gewalttaten, fügte Franz Zobel von ezra hinzu.

Dabei baue die Radikalisierung auf Kräfte auf, die seit Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv seien. Als zentralen rechtsextremen Akteur sieht Axel Salheiser vom IDZ die AfD. KomRex-Geschäftsführerin Cynthia Möller verwies auf den Thüringen Monitor 2020, in dem eine deutliche Überlappung pandemieskeptischer und rechtsextremer Einstellungen festgestellt worden sei.

Die Vereinnahmung der Corona-Krise durch Rechtsextremisten ist aus Sicht von Landesbischof Friedrich Kramer „unerträglich“. Gerade mit Blick auf den bevorstehenden Holocaust-Gedenktag bereiteten ihm die Zunahme rechter Bedrohungen und Gewalttaten Sorge, sagte der Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) bei einem Besuch bei den Beraterinnen und Beratern von ezra.

Dabei betonte Kramer, wie wichtig die Hilfe durch die Beratungsstelle in Trägerschaft der Landeskirche sei. Mit ihrer professionellen Unterstützung von Betroffenen stünden die Mitarbeitenden an der Seite der Menschen, die tagtäglich mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus konfrontiert würden. „Das ist konkrete Nächstenliebe“, so der Bischof.

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