17.11.2021
EKM-Synode tagt in Präsenz | Kirchenamts-Präsident: Synodale nicht von Mitwirkung ausschließen
Erfurt (epd). Trotz steigender Corona-Inzidenzen trifft sich ab Mittwoch die Synode der Evangelischen Landeskirche in Erfurt in Präsenz.
„Eine neuerliche Digitaltagung gefährdet die in der evangelischen Kirche so wesentliche Mitbestimmung des kirchlichen Lebens durch die Basis aus Kirchenmitgliedern und Kirchengemeinden“, begründete der Präsident des Landeskirchenamtes, Jan Lemke, am Dienstag in Erfurt die Entscheidung im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Synode habe in der Pandemie bereits zweimal digital und noch nie in Präsenz getagt, erklärte Lemke, der selbst erst im April zum Verwaltungschef der Landeskirche gewählt worden war. Etwa die Hälfte der Synodalen seien erstmals im Kirchenparlament vertreten. „Längst nicht alle kennen sich, die regulären Arbeitsabläufe sind ihnen noch nicht vertraut, informelle Gespräche und Abstimmungen untereinander kaum möglich. Die Synode selbst bleibt ihnen fremd“, erklärte der Präsident. Das färbe auf die Funktionsfähigkeit der Landessynode ab.
Die Tagung findet nach Lemkes Angaben nach den 3G Plus-Regeln statt. Das bedeute, alle Teilnehmenden müssten geimpft, nachweislich genesen oder mit einem sicheren PCR-Test coronafrei sein. Die Anwendung eines 2G-Modells mit Zugang nur für Geimpfte oder Genesene komme verfassungsrechtlich nicht in Betracht. Es ginge nicht, Synodale, die weder geimpft noch genesen seien, von der Mitwirkung auszuschließen und ihnen gewissermaßen das Mandat zu entziehen, sagte der Jurist.
Er beklagte die aktuelle öffentliche Wahrnehmung der Kirchen. So sei der Mitgliederschwund sicher ein Problem, der allerdings ebenso Parteien, Gewerkschaften sowie viele Vereine treffe. Eine weitere Herausforderung sieht Lemke in der nachhaltigen Finanzierung der kirchlichen Arbeit. „Sowohl das Kirchensteuersystem als auch die sogenannten Staatsleistungen werden öffentlich zunehmend in Zweifel gezogen, ohne den gesamtgesellschaftlichen Wert der kirchlichen Arbeit dem gegenüberzustellen“, sagte er.
Neben Personalentscheidungen stehen auf der Synode bis Samstag auch die Beratung und der Beschluss des Doppelhaushalts 2022/23 an. Der Bischofsbericht wird am Mittwoch von Regionalbischof Christian Stawenow eingebracht, da Landesbischof Friedrich Kramer noch unter Quarantäne steht.
Die 80-köpfige Landessynode vertritt 700.000 Mitglieder in mehr als 3.000 Kirchengemeinden in Mitteldeutschland.
"Eine neuerliche Digitaltagung gefährdet die Mitbestimmung" | Kirchenamts-Präsident Jan Lemke über die beginnende EKM-Synode
epd-Gespräch: Dirk Löhr
Erfurt (epd). Trotz steigender Corona-Inzidenzen trifft sich ab Mittwoch die Synode der Evangelischen Landeskirche in Erfurt in Präsenz. „Eine neuerliche Digitaltagung gefährdet die in der evangelischen Kirche so wesentliche Mitbestimmung des kirchlichen Lebens durch die Basis aus Kirchenmitgliedern und Kirchengemeinden“, begründete der Präsident des Landeskirchenamtes, Jan Lemke, die Entscheidung im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Warum besteht die Kirchenleitung auf einer Synode in Präsenz?
Lemke: Die Synode ist neu gewählt worden. Sie hat seit Corona zweimal digital und noch nie präsentisch getagt. Etwa die Hälfte der Synodalen sind erstmals in die Landessynode gewählt worden. Längst nicht alle kennen sich, die regulären Arbeitsabläufe sind ihnen noch nicht vertraut, informelle Gespräche und Abstimmungen untereinander kaum möglich. Die Synode selbst bleibt ihnen fremd. Das färbt ab auf die Funktionsfähigkeit der Landessynode, immerhin eines Verfassungsorgans der Landeskirche. Eine neuerliche Digitaltagung gefährdet die in der evangelischen Kirche so wesentliche Mitbestimmung des kirchlichen Lebens durch die Basis aus Kirchenmitgliedern und Kirchengemeinden. Kein Landtag würde sich ein vergleichbares Demokratiedefizit leisten wollen, weshalb auch kein Landtag digital tagt.
epd: Wie sehen die Corona-Regeln für die Erfurter Tagung aus?
Lemke: Die Tagung findet nach den 3G Plus-Regeln statt, das heißt alle Teilnehmenden müssen geimpft, nachweislich genesen oder mit einem sicheren PCR-Test coronafrei sein. Darüberhinaus werden alle - auch die geimpften und genesenen - Synodalen täglich getestet. Die Anwendung eines 2G-Modells mit Zugang nur für Geimpfte oder Genesene kommt nicht in Betracht, weil es verfassungsrechtlich nicht möglich ist, Synodale, die weder geimpft noch genesen sind, von der Mitwirkung auszuschließen und ihnen gewissermaßen das Mandat zu entziehen. Mit der 3G Plus-Regel und dem Hygienekonzept ist die Tagung verantwortbar. Das sieht auch das Gesundheitsamt so.
epd: Nach vielen Jahre als gewählter Synodaler kehren Sie qua Amt in das Kirchenparlament zurück. Wie blicken Sie auf den Perspektivwechsel voraus?
Lemke: Es ist schon ein Unterschied, ob ich mir Berichte anhöre oder sie selbst schreibe, ob ich Gesetzesvorlagen prüfe oder ausdenke, ob ich an einer Tagung teilnehme oder für ihre Organisation verantwortlich bin. Aber ich habe mir die Perspektive eines Synodalen erhalten. Ein Landeskirchenamt arbeitet eben auch mit der Logik von Verwaltungsbehörden, bei denen immer die Gefahr besteht, dass sie sich aufplustern, sich mit unnötigen Arbeitsfeldern profilieren wollen und einen Mikrokosmos bilden, der den Rest der Welt aus dem Blick verliert...
epd: ...auch in der EKM?
Lemke. Nein, derartige Tendenzen sehe ich beim Landeskirchenamt der EKM nicht. Aufgrund meiner synodalen Erfahrungen denke ich, dass dagegen das Selbstverständnis als Unterstützungs- und Ermöglichungskraft und die persönliche Verzahnung der Mitarbeitenden mit den Gemeinden, in denen sie leben, helfen. Und Wachsamkeit. Hieran hat sich für mich nichts geändert.
epd: Für Außenstehende scheint es in der Kirche nur zwei Probleme zu geben: Schwindende Mitgliederzahlen und sexualisierte Gewalt.
Lemke: Wir gehen mit unseren Problemen öffentlich um. Das ist angesichts des Anspruchs der Kirchen als Gemeinschaften in der Nachfolge Christi auch zwingend. Nicht gerecht wird uns dabei die öffentliche Wahrnehmung, die uns nur auf diese Probleme reduziert. Hier liegt schon eine Herausforderung. Warum schaffen wir es nicht, die vielen positiven Nachrichten, die unsere Kirche auch produziert, im öffentlichen Bewusstsein zu verankern ?
epd: Zum Beispiel?
Lemke: Etwa die Beliebtheit evangelischer Schulen und Kindertagesstätten, den Teamgeist und die Einsatzbereitschaft von Posaunenchören, die Präsenz und das Engagement der Kirchengemeinden in vielen ansonsten komplett verödeten ländlichen Bereichen. Der Mitgliederschwund ist sicher ein Problem, das allerdings Parteien und Gewerkschaften sowie viele Vereine auch haben. Eine weitere Herausforderung ist die nachhaltige Finanzierung der kirchlichen Arbeit. Sowohl das Kirchensteuersystem als auch die sogenannten Staatsleistungen werden öffentlich zunehmend in Zweifel gezogen, ohne den gesamtgesellschaftlichen Wert der kirchlichen Arbeit dem gegenüberzustellen.
epd: Was macht Ihnen Mut?
Lemke: Ausdrücklich keine Herausforderung sehe ich in der inhaltlichen Arbeit der EKM. Viele Kirchengemeinden sprühen vor guten Ideen, Gottesdienste und Andachten werden regelmäßig auf hohem Niveau, gleichzeitig in großer Vielfalt gefeiert. Unsere Musik zeigt eine beeindruckende Bandbreite. Es gibt genug Beispiele für gute kirchliche Arbeit, die Menschen einbezieht, verbindet, miteinander ins Gespräch bringt und ihnen in ihrer Lebenssituation hilft und sie mit der Frohen Botschaft berührt. Die Herausforderung liegt mehr darin, diese guten Angebote bekannter zu machen, die Menschen einzuladen, die Schwellen zu senken.
epd: Strukturelle Änderungen scheinen unabdingbar und sind auf der Ebene der Regionalbischöfe bereits eingeleitet worden. Mit der Landessynode sinkt die Zahl der früheren Pröpstinnen und Pröpste auf vier. Wie geht es weiter?
Lemke: Ich bin auch gespannt, wie es mit vier Regionalbischöfen beziehungsweise Regionalbischöfinnen weitergeht, zumal jeweils als Team zu zweit in Sprengeln, die sich über jeweils die halbe Landeskirche erstrecken. Besonders die Leitungsverantwortung zu zweit hat das Potenzial zu einem ganz neuen Miteinander in den Sprengeln, das auch die Kirchenkreise erfassen wird. Die beiden Teams werden sich nach Fähigkeiten und Neigungen selbst organisieren können. Das kann richtig gut werden.
epd: In der unmittelbaren Führungsebene der EKM lässt sich nur noch eine Frau finden. Wie wollen Sie für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen?
Lemke: In der EKM sind zu wenige Frauen in Führungspositionen. Dieser Zustand wird nicht der Tatsache gerecht, dass sehr viele engagierte und kompetente Frauen in unserer Landeskirche sind, auch im Landeskirchenamt. Ich werde sie ermutigen, ihre Kompetenz und ihr Engagement zu nutzen und Leitungsämter anzustreben. Und alle, die solche Ämter zu besetzen haben, möchte ich ermutigen, sich nicht von überkommenen Rollenvorstellungen leiten zu lassen, sondern die Fragen nach der Eignung voranzustellen. Ich selbst habe über 20 Jahre als Richter am Landgericht gearbeitet und hatte es mit einer Präsidentin, einer Vizepräsidentin und einer Kollegenschaft zu tun, die etwa zu zwei Dritteln aus Richterinnen bestand - ich empfand das wegen der Vielfalt der Sichtweisen als bereichernd; entscheidend ist aber immer die Menschlichkeit.
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