23.10.2023
Gedämpfte Freude bei Eröffnung von Dessauer Synagoge
Dessau-Roßlau (epd). Mit einer Schweigeminute hat am Sonntag die Eröffnung der neu gebauten Synagoge in Dessau-Roßlau begonnen.
Fast 85 Jahre, nachdem die Nationalsozialisten den Vorgängerbau zerstört haben, hat die Stadt wieder ein jüdisches Gotteshaus. „Die Synagoge muss ein Haus von Liebe und Frieden sein“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Dessau, Alexander Wassermann, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Es ist momentan eine schwierige Zeit“, sagte der Gemeindevorsteher angesichts der jüngsten Terrorangriffe der palästinensischen Hamas auf Israel. Die Gemeindemitglieder hofften, dass bald Frieden herrsche. Eigentlich habe man an diesem wichtigen Tag groß feiern wollen, doch jetzt falle alles etwas kleiner aus.
In Dessau-Roßlau fühle man sich aber weitgehend sicher, betonte Wassermann. Man habe gute Kontakte zum Imam der islamischen Gemeinde. Auch habe die Polizei den Schutz der Synagoge seit den Angriffen auf Israel verstärkt. „Wir haben keine Panik“, so der Gemeindevorsteher.
Dass die Eröffnung gerade in diesen Zeiten ein überregionales Signal ist, machte die Gästeliste deutlich: Kurzfristig hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt. Neben Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) waren weitere rund 80 Gäste geladen, darunter der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sowie Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sowie US-Generalkonsul John R. Crosby aus Leipzig zählten zu den Gästen.
Alle Redner zeigten sich entsetzt über die Angriffe auf Israel. Ebenso verurteilten sie die anti-israelischen Demonstrationen in Deutschland und den wachsenden Antisemitismus. Scholz versicherte Israel Unterstützung: „Wenn Israel Deutschland in dieser Lage um Hilfe bittet, dann helfen wir.“ Haseloff nannte die neue Synagoge ein Symbol des Neuanfangs.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mark Dainow, versuchte, Zuversicht zu verbreiten. „Der Bau der Synagoge ist eine steingewordene Antwort auf unsere Zukunft in Deutschland“, sagte er. Es sei das Gegenteil von gepackten Koffern. Dass hier junge Menschen Bar-Mizwa (die religiöse Mündigkeit) feiern werden, erfülle ihn mit Zuversicht.
Der Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister Robert Reck (parteilos) erinnerte an die lange Tradition des Judentums in der Stadt, zu der auch berühmte Namen wie der Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) und der Komponist Kurt Weill (1900-1950) gehörten. Beide verbrachten Kindheitsjahre in Dessau. Nach Weill, dessen Vater Kantor der Gemeinde war, ist die neue Synagoge benannt.
Die Synagoge liegt im Stadtzentrum nur wenige Meter von dem Vorgängerbau entfernt, der 1908 eröffnet und in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zerstört wurde. Der Neubau hat die Form einer Tora-Rolle und verfügt über 90 Plätze. 2019 wurde der Grundstein gelegt.
Die Eröffnung verzögerte sich mehrfach, zudem stiegen die Kosten von 1,7 auf etwa 4,8 Millionen Euro an. Finanziell unterstützt wurde der Bau auch von den Kirchen. Die jüdische Gemeinde hat nach eigenen Angaben rund 260 Mitglieder.
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