28.08.2018
Gedenkgottesdienst zur Übergabe von Gebeinen an Namibia | Entschuldigung für deutsche Kolonialverbrechen gefordert
Berlin (epd). Zur Rückgabe von Gebeinen der Herero und Nama aus der Kolonialzeit nach Namibia wird am 29. August in Berlin ein Gedenkgottesdienst gefeiert (10.30 Uhr). Die Gebeine sollen unmittelbar im Anschluss an den Gottesdienst bei einem offiziellen Akt des Auswärtigen Amtes und der Botschaft von Namibia an namibische Regierungsvertreter übergeben werden.
Zu dem Gottesdienst laden die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Rat der Kirchen in Namibia (CCN) in die Französische Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt ein.
Die sterblichen Überreste indigener Gemeinschaften aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika wurden in der Kolonialzeit unrechtmäßig entwendet und nach Deutschland gebracht. Am 31. August sollen sie in Windhuk in Namibia bei einem Staatsakt in Empfang genommen werden.
Die Predigten in dem Gedenkgottesdienst in Berlin halten Bischof Ernst Gamxamub, Delegationsleiter des namibischen Kirchenrats, und die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber. „Mit der EKD freuen wir uns sehr darüber, dass wir gemeinsam diesen für beide Nationen so wichtigen Gottesdienst begehen können“, sagte Bischof Ernst Gamxamub: „Dies ist für uns ein deutliches Zeichen, dass wir auf dem Weg der Versöhnung unserer beiden Völker weiterkommen.“ Es sei ein Herzensanliegen, diese Rückgabe in einer liturgisch angemessenen Atmosphäre zu vollziehen, erklärte Bosse-Huber: „Wir stehen für die Fortführung der bereits mit den namibischen Kirchen begonnenen Aufarbeitung des Genozids und seiner Folgen bereit.“ Die Kirchen waren den Angaben zufolge von den Auswärtigen Ämtern der namibischen und deutschen Regierungen um die Mitarbeit an einer würdigen Übergabe der sterblichen Überreste gebeten worden.
Bund sieht Nachholbedarf bei Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit
Die Bundesregierung sieht Nachholbedarf in der Aufarbeitung der deutschen kolonialen Vergangenheit. "Es geht hier um die Schließung einer internationalen Erinnerungslücke", sagte die Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), am Montag in Berlin. Zwar könnten die deutschen Verbrechen aus der Zeit von 1904 bis 1908 nicht ungeschehen gemacht werden. Aber Deutschland und Namibia müssten gemeinsam Wege finden, um daran zu erinnern. Bei der Aufarbeitung des "kollektiven Traumas" seien zudem Sensibilität und Empathie nötig.
Bei der offiziellen Übergabe sollen 27 menschliche Überreste, die während der Kolonialzeit zu Unrecht nach Deutschland gelangt waren, offiziell an Namibia zurückgegeben werden. Darunter befinden sich 19 Schädel und eine Kopfhaut, die bislang in verschiedenen anthropologischen Sammlungen in Berlin, Greifswald, Ennigerloh, Witzenhausen, Jena, Hannover und Hamburg lagerten. Die Kulturministerin Namibias, Katrina Hanse-Himarwa, betonte, dass die geplante Rückgabe Teil des Versöhnungsprozesses zwischen Deutschland und Namibia sei. Sie würdigte auch die Rolle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die angeboten habe, diese Rückgabe mit einem würdigen Rahmen zu unterstützen.
Entschuldigung für deutsche Kolonialverbrechen gefordert
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat von der Bundesregierung eine offizielle Entschuldigung für die deutschen Kolonialverbrechen gefordert. Dem Völkermord Anfang des 20. Jahrhunderts seien bis zu 70.000 Herero und Nama zum Opfer gefallen, sagte Berendt am Montag in Berlin. "Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen", sagte Berendt.
Bereits im Vorfeld der offiziellen Übergabe am Mittwoch gibt es Kritik an dem Vorgehen der Bundesregierung und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die einen Gedenkgottesdienst aus Anlass der Übergabe ausrichtet. Unter anderem kritisiert die Initiative "Völkermord verjährt nicht!", dass heutige Vertreter der ursprünglichen Herkunftsgesellschaften nicht zu dem Gedenkgottesdienst und dem Übergabeakt eingeladen wurden.
Berlins Justizsenator richtete deshalb bereits am Montag einen offiziellen Empfang für Vertreter der Herero und Nama aus, die nach eigenen Angaben von Bundesregierung und EKD nicht zu den Veranstaltungen am Mittwoch eingeladen sind. Berendt betonte zudem, er wolle um Entschuldigung bitten für den Völkermord Anfang des 20. Jahrhunderts an den Herero und Nama. Die Bundesregierung solle dem auch folgen. Weiter bemängelte der Grünen-Politiker, dass der Völkermord an den Herero und Nama bis heute "kaum Teil des kollektiven Gedächtnisses" in Deutschland seien.
Auch die Vorsitzende der "Ovaherero Genocide Foundation" in Namibia, Esther Utjiua Muinjangue, forderte erneut eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung für die Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika. Allerdings würden sie und andere zivilgesellschaftlichen Vertreter der Herero und Nama keine Entschuldigung der Bundesregierung bei der Regierung Namibias akzeptieren, sondern nur eine, die von Deutschland gegenüber den Herkunftsgesellschaften gemacht werde. Demnach fühlen sich viele traditionellen Stämme der Hereros und Nama nicht durch die Regierung Namibias oder das dortige, demokratisch gewählte Parlament vertreten. Muinjangue erklärte zudem, dass die Herkunftsgesellschaften eine Entschädigung von Deutschland für erlittenes Unrecht einforderten. "Wir erwarten die gleiche Behandlung von Deutschland, wie sie den Juden gegeben wurde", sagte Muinjangue.
Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck kritisierte, dass an Veranstaltungen zum offiziellen Gedenktag an die Opfer der Kolonialverbrechen in Namibia, dem 11. August, keine Vertreter der Bundesregierung, der Kirchen oder auch von deutschen Stiftungen, die in Namibia präsent sind, anwesend gewesen seien. Zudem sei es "beschämend", dass es in Namibia bis heute keinen Gedenkort gebe, der an die deutschen Kolonialverbrechen erinnere. Unbefriedigend sei überdies, dass immer noch unklar ist, wie viele menschliche Überreste aus Kolonialverbrechen bundesweit in verschiedenen Sammlungen von Museen, Universitäten oder anderen Instituten lagerten. Die Initiative "Völkermord verjährt nicht!" kündigte unterdessen aus Protest gegen den Rahmen der bevorstehenden Übergabe am Mittwoch Mahnwachen in verschiedenen Städten an, unter anderem in Berlin, München und Leipzig.
epd-Nachrichten und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Sie dienen hier ausschließlich der persönlichen Information. Jede weitergehende Nutzung, insbesondere ihre Vervielfältigung, Veröffentlichung oder Speicherung in Datenbanken sowie jegliche gewerbliche Nutzung oder Weitergabe an Dritte ist nur mit Genehmigung der Verkaufsleitung von epd (verkauf@epd.de) gestattet.
Die Predigten von EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber und Bischof Ernst Gamxamub finden Sie unter: https://www.ekd.de/predigt-bosse-huber-gedenkgottesdienst-rueckkabe-gebeine-namibia-37020.htm sowie unter https://www.ekd.de/predigt-gamxamub-gedenkgottesdienst-rueckkabe-gebeine-namibia-37036.htm.
Einen Hintergrund-Artikel zur deutschen Kolonial- und Missionsgeschichte Namibias gibt es bei evangelisch.de: https://www.evangelisch.de/inhalte/88127/06-09-2013/zwischen-taufbefehl-und-vernichtungskrieg?kamp=b-070&kamp_r=start