20.07.2019
Greta Thunberg ruft zu langem Kampf für Klimaschutz auf | Ministerien: Kein härteres Vorgehen gegen Schülerstreiks
Berlin (epd). Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg fordert langes Durchhaltevermögen beim Engagement für den Klimaschutz. Der Kampf für mehr Klimaschutz werde viele Jahre dauern, "eine andere Wahl haben wir nicht", sagte die 16-Jährige bei ihrer ersten längeren Rede in Deutschland auf der "Fridays for Future"-Demonstration am Freitag in Berlin.
Zugleich rief Thunberg die ältere Generation zur Mithilfe auf. Die Schwedin würdigte zudem die "Fridays for Future"-Bewegung in Deutschland. Diese habe Geschichte geschrieben. Zugleich kritisierte die 16-Jährige Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Medien. Diese würden ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Klimakrise nicht gerecht. Auch eine der Hauptorganisatorinnen der "Fridays for Future"-Proteste in Deutschland, Luisa Neubauer, forderte mehr Tatkraft bei den Entscheidungsträgern. "Wir jungen Menschen werden euch nicht die Welt retten. Das müssen wir schon zusammen machen", sagte Neubauer in Berlin.
Nach Polizeiangaben beteiligten sich am Freitag über 2.000 Teilnehmer an der Demonstration im Berliner Regierungsviertel und damit doppelt so viele wie von den Veranstaltern angesichts der Sommerferien erwartet. Auch in der Urlaubszeit werde weitergestreikt, betonte Thunberg: "Die Klimakrise stoppt nicht, auch wenn wir Ferien haben."
Im kommenden Schuljahr können unterdessen Schüler, die während der Unterrichtszeit an den Klimaprotesten teilnehmen, weiter auf Nachsicht und Flexibilität der Schulleitungen hoffen, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergab. Die Kultusministerien der Länder verzichten weiterhin auf genaue Vorgaben für die Lehrer, wie auf Demonstrationsteilnahmen und Fehlzeiten zu reagieren ist. Die Ministerien verwiesen auf die Schulpflicht, viele lobten aber zugleich das demokratische Engagement der Jugendlichen.
Greta Thunberg nahm bereits zum zweiten Mal an "Fridays for Future" in der Bundeshauptstadt teil. Bereits Ende März hatte die Initiatorin der weltweiten Klimaproteste in Berlin eine Demonstration mit über 25.000 Menschen besucht. Anfang März beteiligte sie sich in Hamburg am Klimaprotest.
Die Organisatoren von "Fridays for Future" riefen zum nächsten großen globalen Klimastreik am 20. September auf. An dem Tag will das Klimakabinett entscheiden, ob es in Deutschland eine Bepreisung für den klimaschädlichen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) geben soll.
Mit Blick auf die "Fridays for Future"-Demonstrationen sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Sommerpressekonferenz für eine CO2-Bepreisung aus. Dadurch könne der Anreiz für Innovationen gesetzt werden, sagte Merkel. Den jungen Menschen, die sich an den Klimaprotesten beteiligen, könne sie sagen, dass "mit Hochdruck" an Lösungen für mehr Klimaschutz gearbeitet werde. Dazu müssten auch neue Wege gegangen werden, und diese neuen Wege müssten gut durchdacht sein, betonte die Bundeskanzlerin.
Bundesweit waren an diesem Freitag weitere "Fridays for Future"-Proteste in rund 25 Städten geplant. Unter anderem sollte es Klimaproteste in Dortmund, Augsburg, Erfurt, München und Hamburg geben. Unter dem Motto "Fridays for Future" fordern junge Menschen seit Monaten weltweit mehr Anstrengungen beim Klimaschutz.
Sachsen-Anhalt gegen härteren Umgang mit Schülerstreiks
Magdeburg (epd). Sachsen-Anhalt hält ein härteres Vorgehen gegen die Schülerproteste "Fridays for Future" für unnötig. Über den jeweiligen Umgang mit Schülern, die wiederholt der Schule fernbleiben, würden im ersten Schritt die Schulen entscheiden, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums in Magdeburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bereits im Januar seien die Schulen in einem Schreiben an die Schulleiter über den Umgang mit Demonstrationen informiert worden. Sie wurden dabei auf die möglichen Instrumente gegen eine Verletzung der Schulpflicht hingewiesen und zugleich ermutigt, angemessen mit den Situationen umzugehen.
Wie das Ministerium weiter mitteilte, wird der Umgang mit den Klima-Protesten "vor Ort sensibel gehandhabt". Es gebe derzeit keine Veranlassung, von dieser Praxis abzuweichen. Die bisherigen Demonstrationen haben dem Ministerium zufolge zu verschiedenen Zeiten, teilweise nach Schulschluss, stattgefunden. "Die Schulen waren verpflichtet, Schulpflichtverstöße zu erfassen. Bisher gab es, nach unserer Kenntnis, keine Ordnungswidrigkeitsverfahren, die mit Geldbußen endeten." Bevor ein solches Verfahren eingeleitet werde, gebe es zahlreiche pädagogische Maßnahmen, die genutzt werden sollten. Bei einzelnen Fehlstunden würden immer pädagogische Mittel angewendet, hieß es.
Inwieweit im kommenden Schuljahr bei einzelnen Schülern verstärkte Schulpflichtverletzungen auftreten werden, die ein Ordnungswidrigkeitsverfahren notwendig machen, lässt sich laut Ministeriumssprecher derzeit nicht einschätzen. Sachsen-Anhalt werde bei seinem bisherigen Weg bleiben, kündigte das Ministerium an.
Zuletzt hatte der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Alexander Lorz (CDU), in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" zum neuen Schuljahr ein härteres Vorgehen gegen Schüler nicht ausgeschlossen, die sich regelmäßig während der Schulzeit an den freitäglichen Demonstrationen für Klimaschutz beteiligen.
Thüringen: Klima-Engagement und Schulpflicht miteinander vereinbaren
Erfurt (epd). Thüringen sieht keine Notwendigkeit zu einem härteren Vorgehen gegen die Schülerproteste "Fridays for Future". "Wenn Schülerinnen und Schüler sich demokratisch engagieren, ist das ohne Wenn und Aber zu begrüßen", teilte das Bildungsministerium in Erfurt auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit. Klimaschutz sei zudem ein Thema, "das für jede und jeden von Bedeutung ist". Junge Menschen machten sich Gedanken darum, welche Welt ihnen hinterlassen werde: "Das ist eine Form von Verantwortungsbewusstsein, die sich jeder Pädagoge nur wünschen kann."
Dennoch verwies das Ministerium auch auf die bestehende Schulpflicht, die ebenfalls ohne Wenn und Aber gelte. Daher sollte zunächst gefragt werden, ob die Schülerdemonstrationen nicht außerhalb der Unterrichtszeit geschehen könnten. Das wäre aus Sicht des Bildungsministeriums die beste Lösung. Ein Streik während der Unterrichtszeit sei nicht das beste Instrument, "denn die Schulpflicht geht vor".
Wie das Ministerium weiter mitteilte, wird es als unentschuldigte Fehlzeit gewertet, wenn Schüler am Schulstreik teilnehmen. Dennoch müsse immer der Einzelfall berücksichtigt werden. Dazu gehörte beispielsweise auch, ob eine Klasse sich gerade auf eine Abschlussprüfung vorbereitet und ob neben der Schulpflicht auch die Aufsichts- und Fürsorgepflicht berücksichtigt wurde. Das Bildungsministerium wolle den Schulen dazu keine zentralistisch festen Vorgaben machen.
"Unsere Pädagoginnen und Pädagogen nehmen ihre Verantwortung vor Ort in den Schulen sehr bewusst wahr", hieß es weiter. So könne aus dem Bedürfnis, etwas für den Klimaschutz zu tun etwa eine schulische Projektwoche entstehen. Es gebe viele Wege, demokratisches Engagement und die Schulpflicht miteinander zu vereinbaren. Sie sollten genutzt werden, so das Ministerium.
Gemäß Thüringer Schulgesetz handelt ordnungswidrig, wer als Elternteil die regelmäßige Teilnahme am Unterricht nicht sicherstellt oder als Schulpflichtiger beharrlich am Unterricht nicht teilnimmt. Bei unentschuldigtem Fehlen an mehr als zehn Schultagen prüft die Schulleitung einen Antrag auf Maßnahmen durch das Ordnungsamt. Für die Ordnungswidrigkeitsverfahren sind die Landkreise und kreisfreien Städte mit ihren Ordnungsämtern zuständig. Es können Bußgelder bis zu 1.500 Euro verhängt werden.
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