23.05.2024
Katholikentag im Stammland der Reformation
Erfurt (epd). Mit ihrer fast 1.300-jährigen Geschichte zeigt sich die heutige Landeshauptstadt Thüringens ihren Gästen als ein lebendiges Museum.
Hübsche Fachwerkhäuser und stolze Patrizierhäuser säumen die Gassen der ungewöhnlich großen Erfurter Altstadt. Dazwischen, neben der längsten durchgehend bebauten und bewohnten Brücke Europas, finden sich immer wieder Kirchen. „Erfordia turrita“ - türmereiches Erfurt - rühmte Martin Luther (1483-1546) einst die Stadt, weil sich die Türme von 25 Pfarrkirchen, 15 Klöstern und Stiften sowie zehn Kapellen zum Himmel streckten.
Anfang Mai des Jahres 1501 hinterlässt der spätere Reformator Luther hier seine erste Spur in der Geschichtsschreibung. Als „Martinus Ludher ex Mansfelt“ ist der damals 17-Jährige für das Sommersemester 1501 in die Erfurter Universitätsmatrikel eingetragen worden. Zehn Jahre sollte er in der Stadt verbringen - erst als Student und ab 1505 als katholischer Mönch des Augustinerordens. Der Aufenthalt in Erfurt hat ihn tief geprägt. Die Erfurter Universität jedenfalls bezeichnete er später als „mater mea ..., cui ... honorem debeo“ (meine Mutter, der ich Ehrerbietung schulde). In Erfurt wurde er zum Priester geweiht. Hier erfuhr er seine geistige Prägung.
Der spätere Reformator hat an vielen Orten in der Stadt Spuren hinterlassen. Das Hauptgebäude der Alten Universität - das aufwendig sanierte Collegium maius - ist heute Sitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) - und die Georgenburse, wo Luther als Student vermutlich wohnte, besetzen zwei weltliche Plätze in der Stadt. Vor den Toren Erfurts liegt der Ort jenes Gewitters, das Luther veranlasste, Mönch zu werden.
Im April 1525 erreichte die Reformation in Erfurt ihren radikalen Höhepunkt. Ein Bauernheer hielt sich in der Stadt auf, die Stifte wurden gestürmt. Kurz danach verbot der Rat den katholischen Gottesdienst in allen Kirchen, mit Ausnahme der Hospitalkirche. Er setzte neue Pfarrer ein und erklärte den Dom zur evangelischen Hauptkirche. Wiederum kam es fünf Jahre später zum Vertrag von Hammelburg, der erstmals ein Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in einem Territorium des Heiligen Deutschen Reiches regelte. Die Katholiken erhielten den Dom zurück, bleiben seitdem aber zahlenmäßig in klarer Minderheit.
Das friedliche Nebeneinander dauert bis heute an. Erfurts katholischer Bischof Ulrich Neymeyr weiß, was er an seinen protestantischen Glaubensbrüdern und -schwestern hat. „Wir hätten nicht zum 103. Deutschen Katholikentag nach Erfurt einladen können, hätten nicht die evangelischen Christen gesagt: Wir machen da mit“, sagt Neymeyr.
Erstmals überhaupt ist Erfurt Gastgeberstadt eines Katholikentags. Bis zu 20.000 Christinnen und Christen werden erwartet. Dabei wohnen und leben in der Landeshauptstadt Thüringens gerade einmal 13.000 Katholiken. Und der Anteil der Katholiken in Thüringen liegt heute insgesamt bei nur noch knapp 7,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Insofern und dank der Hilfe der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wird laut Neymeyr das Glaubensfestival vom 29. Mai bis 2. Juni eher ein Christentag als ein Katholikentag sein.
Denn auch der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer sagt, die beiden Konfessionen gestalteten viel gemeinsam. Die Kirchenkreise und Landeskirche unterstützten den Katholikentag, wo immer es gehe. Die Ökumene sei in Thüringen ganz selbstverständlich. Auch angesichts sinkender Mitgliederzahlen in beiden Kirchen brauche man einander.
Von Matthias Thüsing (epd)
Auf der Suche nach der Gesellschaft der Zukunft: 103. Deutscher Katholikentag vom 29. Mai bis 2. Juni in Erfurt
Erfurt (epd). Der 103. Deutsche Katholikentag ist Gast im Kernland der Reformation: In der Lutherstadt Erfurt werden vom 29. Mai bis 2. Juni rund 20.000 Teilnehmende erwartet. Das Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ soll Christen Mut machen, inmitten aller Krisen und Konflikte die Hoffnung nicht zu verlieren. Der Katholikentag macht in seiner mehr als 170-jährigen Geschichte erstmals in Thüringens Landeshauptstadt Station.
Erfurt ist ein Symbol für gelebte Ökumene: Hier verbindet sich eine reiche katholische Vergangenheit mit den Anfängen der evangelischen Reformation. Der spätere Reformator Martin Luther (1483-1546) begann hier sein Studium und wurde nach einer Lebenskrise Augustinermönch. Das Augustinerkloster in Erfurt gehört heute zu den bedeutendsten Lutherstätten in Deutschland. Papst Benedikt XVI. war im Jahr 2011 auf seiner letzten Deutschlandreise hier zu Gast - und lobte dabei auch Luther.
Zum Eröffnungsgottesdienst am Abend des 29. Mai wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Aus dem politischen Berlin haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck sowie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (alle Grüne) angekündigt. Erwartet werden zudem Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sowie Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).
Die Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni soll eine wichtige Rolle beim Europatag des Katholikentags einnehmen. Man will nach Wegen für eine „zukunftsfähige Gesellschaft“ suchen - vor allem mit Blick auf die zahlreichen Kriege, Klimawandel, Artensterben, soziale Spaltungen und Krisen in Politik und Kirche. Aus aktuellem Anlass werden Podien zum Konflikt in Israel und Gaza sowie zum Thema „Demokratischer Frieden in Zeiten des Populismus“ angeboten.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte bei der Programmvorstellung im März: „Unsere Haltung heißt: Frieden braucht mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden braucht Menschen, die sich täglich darum bemühen, dass Gewalt, Ausgrenzung, Hass und Hetze keinen Platz haben in der Welt.“
Insgesamt sind laut Katholikentag rund 500 Veranstaltungen im Programm: Neben innerkirchlichen Themen wie dem Missbrauchsskandal auch mehr als 80 mit einem ausgewiesenen Bezug zu Thüringen, zur Geschichte der deutsch-deutschen Einigung und zu den Erfahrungen von Christinnen und Christen in der DDR und während der Friedlichen Revolution.
Dennoch gab es gerade um das Thema ostdeutsche Interessen bei der Planung für den Katholikentag Streit. Erfurts ehemaliger Oberbürgermeister Manfred Ruge (CDU) hatte öffentlich kritisiert, ostdeutsche Themen und Protagonisten seien im Programm unterrepräsentiert. Er hatte sich vom Vorsitz des Trägervereins zurückgezogen. Nachfolger ist Jan Helge Kestel, Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen.
In Erfurt bilden Christen eine Minderheit, räumte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ein, dessen Bistum Gastgeber des Katholikentags ist: „Deswegen ist es uns wichtig, den Dialog mit allen Menschen zu suchen.“ Es soll sechs größere und kleinere Bühnen in der Stadt geben sowie rund 150 Kulturveranstaltungen mit Musik, Theater, Tanz, Kabarett und vielem mehr. Die großen Gottesdienste des Katholikentags finden am Donnerstag, Freitag und zum Abschluss am Sonntag statt.
Alle zwei Jahre veranstaltet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einen Katholikentag jeweils in einem anderen Bistum. Man wechselt sich dabei mit evangelischen Kirchentagen ab. Der 102. Deutsche Katholikentag fand im Mai 2022 in Stuttgart mit rund 27.000 Teilnehmenden statt. Der 104. Deutsche Katholikentag ist vom 13. bis 17. Mai 2026 in Würzburg geplant. Davor wird der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) vom 30. April bis zum 4. Mai 2025 in Hannover ausgerichtet.
Von Stephan Cezanne (epd)
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