31.05.2024
Katholikentag in Erfurt eröffnet | „Wir feiern eigentlich einen ökumenischen Kirchentag"

Erfurt (epd). Mit Appellen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt ist am Mittwoch in Erfurt der 103. Deutsche Katholikentag eröffnet worden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den katholischen Christen für ihren besonderen Beitrag für Demokratie und Staat. Die Gesellschaft werde vom vielfältigen Dienst von Christen mit getragen, sagte Steinmeier in seiner Eröffnungsrede auf dem Domplatz. Deren Engagement sei für die Gesellschaft ein Glück. An den 500 Veranstaltungen des Treffens wollen bis Sonntag rund 20.000 Christinnen und Christen teilnehmen.

Papst Franziskus würdigte den Katholikentag in einem Grußwort an die Teilnehmer als Ort des ökumenischen Miteinanders und des interreligiösen Dialogs. Es brauche die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens, die bereit seien, an einer friedlichen Zukunft zu bauen, schrieb Franziskus laut der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

„Katholikentage sind Tage der Demokratie“, erklärte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp: „Wir stehen in einer gefährlichen Situation: Unsere Demokratie ist bedroht. Wir brauchen sie aber, und wir müssen sie pflegen.“ An der Eröffnung nahmen neben Steinmeier Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und CDU-Chef Friedrich Merz teil.

Zum Auftakt des Katholikentages hatten die Veranstalter eine umfassende und rasche Reform der katholischen Kirche angemahnt. „Es ist genug geredet. Es muss gehandelt werden“, sagte Stetter-Karp vor Journalisten: „Die Kirche ist in einer Krise, die nicht nur vom Glaubenswandel zeugt. Sie ist in einer Krise, die sie selbst mitverschuldet hat.“ Der Missbrauchsskandal habe in großem Maße Vertrauen zerstört.

Der Erfurter Katholikentag ist der erste in einem ostdeutschen Bundesland nach dem 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig 2016. Das Christentreffen steht unter dem biblischen Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ aus Psalm 37. Mit Blick auf die Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni findet ein Europatag statt. Zugleich werden Podien zum Konflikt in Israel und Gaza sowie zum Thema „Demokratischer Frieden in Zeiten des Populismus“ angeboten. Der Kirchentag hatte Vertreter der AfD von Podien des Christentreffens ausgeschlossen.

Der Bischof des gastgebenden Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, hob besonders die Ökumene hervor. Ohne diese sei der Katholikentag nicht denkbar: „Wir feiern eigentlich einen ökumenischen Kirchentag.“ Auch Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), lobte die lange Tradition der Ökumene in Erfurt.

Auf dem Erfurter Katholikentag haben sich neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weitere Bundesministerinnen und Bundesminister sowie zahlreiche Vertreter aus dem politischen Berlin angekündigt. Zudem sind viele Prominente aus Kultur, Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft vertreten.

Katholikentag in Erfurt: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit

Erfurt (epd). Die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hat auf dem Katholikentag in Erfurt zur Verteidigung der weltweiten Menschenrechte aufgerufen. In vielen Ländern drohe zurzeit Gefahr durch populistische Kräfte, ob von links oder rechts, sagte die Mitbegründerin der seit 2022 in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation Memorial am Donnerstag auf dem 103. Deutschen Katholikentag in Erfurt. An den 500 Veranstaltungen des Katholikentages in Erfurt wollen bis Sonntag rund 20.000 Christen teilnehmen.

„Putin verkündet den ewigen Krieg“, fügte Scherbakowa hinzu. Man habe viel Zeit und den Kampf um die Menschenrechte in Russland verloren. Wenn Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine gewinne, gebe es keine Chance für Veränderung in ihrer Heimat. Memorial International - wurde Anfang 1989 in der damaligen Sowjetunion gegründet und 2022 verboten. Für ihre Arbeit wurde der Organisation im selben Jahr der Friedensnobelpreis zuerkannt. Scherbakowa selbst verließ ihr Heimatland 2022.

Auch Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) rief zur „Investion in eine lebendige Demokratie“ auf. In Deutschland sei es wichtig, an die Vergangenheit und ihre Opfer zu erinnern. Grundrechte, wie zum Beispiel freie Wahlen, seien nicht selbstverständlich. An diesem Freitag soll im Rahmen des Katholikentages der erste Stolperstein der Landeshauptstadt verlegt werden. Er erinnert an den jüdischen Kaufmann Karl Klaar.

Der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige warnte Christen vor dem Rückzug in eine „weltfremde Innerlichkeit“. Gerade eine pluralistische Gesellschaft brauche, „um nicht auseinanderzubrechen und in Gleichgültigkeit zu versinken, markante und verantwortungsbewusste Gruppen, die sich zu Wort melden und tatkräftig einmischen“, erklärte der Magdeburger Bischof am Donnerstag laut Redemanuskript in Erfurt.

Das Christentreffen in Thüringens Landeshauptstadt war am Mittwochabend unter Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet worden. Fronleichnam ist in Thüringen kein Feiertag. Der Erfurter Katholikentag steht unter dem biblischen Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ aus Psalm 37. In Thüringen sind katholische Christen mit einem Anteil von knapp 7,5 Prozent an der Bevölkerung in der Minderheit, rund 137.000 Katholiken leben im Bistum Erfurt.

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