29.03.2019
Keine Entwarnung bei Rechtsextremismus in Thüringen | Innenminister sieht Strategiewechsel bei Neonazis

Erfurt (epd). In Thüringen sind die von der Polizei erfassten Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität 2018 im zweiten Jahr in Folge gesunken. Obwohl im Vergleich zu 2017 auch die Aufklärungsquote um mehr als fünf Prozentpunkte auf 52,8 Prozent stieg, warnte Innenminister Georg Maier (SPD) vor Selbstzufriedenheit.

Die sinkenden Zahlen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, "dass wir insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus vor neuen Herausforderungen stehen", sagte der Minister bei der Vorstellung der amtlichen Polizeistatistik am Mittwoch in Erfurt. Zuvor hatte die Opferberatung "ezra" vor einer Verharmlosung rassistischer Gewalt in Thüringen gewarnt.

Nach Meiers Angaben haben viele Neonazis ihre Strategie geändert und versuchten inzwischen, durch eine stärkere Vernetzung und das Einsickern in bürgerliche Bereiche, ihren Einfluss auszudehnen. Um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken, hätten sich die Innenminister der mitteldeutschen Länder bei einer gemeinsamen Sicherheitskonferenz in Erfurt auf ein abgestimmtes Vorgehen verständigt, sagte der SPD-Politiker.

Wie auch in den vergangenen Jahren seien auch 2018 mit 68,3 Prozent der insgesamt 1.798 Fälle politisch motivierter Kriminalität die Mehrheit dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen. Trotz eines leichten Rückgangs in diesem Bereich stellten die 1.228 Straftaten noch immer einen erschreckend hohen Wert dar, erklärte der Innenminister. Auch bei den Gewaltdelikten habe es einen Rückgang um 12,6 Prozent auf 104 Fälle gegeben. Allerdings handele es sich bei zwei Drittel (65,4 Prozent) dieser Straftaten um Körperverletzungen (68 Fälle).

2018 seien in Thüringen zudem 126 Personen Opfer politisch motivierter Gewaltkriminalität geworden, darunter 44 Personen nichtdeutscher Herkunft, hieß es weiter. Zwar sei jede Straftat eine zu viel, aber die überproportionale Opferzahl bei Menschen nichtdeutscher Herkunft gebe besonders zu denken, sagte der Minister.

Problematisch sei auch die wachsende Gewalt gegen Polizisten aus vermeintlich politischen Gründen. Hier wurden nach seinen Angaben im vergangenem Jahr 39 Fälle registriert (2017: 22 Fälle). Diese Zahlen zeigten, "dass es an vielen Stellen der Gesellschaft an Respekt gegenüber Einsatzkräften mangelt", so Meier.

Einen Anstieg rechtsmotivierter Angriffe hat unterdessen die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (ezra) in Thüringen festgestellt. Man habe 2018 insgesamt 162 derartige Vorfälle registriert, so viele wie nie zuvor im Land, sagte Christina Büttner, die Projektkoordinatorin bei ezra, in Erfurt. Im Vergleich zu 2017 mit 151 rechtsmotivierten Angriffen bedeute dies einen Anstieg um sechs Prozent. 2018 seien insgesamt 186 Personen von ezra beraten worden.

Rechte Gewalt verharre in Thüringen damit auf einem erschreckend hohen Niveau. Rassismus sei dabei das häufigste Tatmotiv. "Thüringen ist für bestimmte Gruppen von Menschen nicht sicher, weil sie jederzeit damit rechnen müssen, Opfer eines rechten Angriffs zu werden", sagte die Projektkoordinatorin.

Seit April 2011 unterstützt ezra - das hebräische Wort steht für Hilfe - Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen. Träger ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Finanziert wird die Opferberatung über das Bundesprogramm "Demokratie leben!" und das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit "DenkBunt".

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