14.08.2023
Länder zögern bei Ablösung der Staatsleistungen an Kirchen

Berlin (epd). Die Bundesländer scheuen sich vor einer Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.

Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Landesregierungen der 14 Länder, die Staatsleistungen zahlen, ergab, hat die Ablösung für die überwiegende Mehrheit keine Priorität. Einige sehen das wegen der derzeit angespannten Haushaltslage dezidiert kritisch. Es sei ein schlechter Zeitpunkt, hieß es etwa aus Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Man sei grundsätzlich offen gegenüber diesem Vorhaben der Bundesregierung, zentrale Fragen müssten aber noch geklärt werden, erklärten wiederum Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Es sei noch „kein für alle Beteiligten konsensfähiges Ablöse-Modell bekannt“, sagte ein Sprecher des Brandenburger Kultusministeriums. Viele Länder verwiesen auf die in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Position, das Thema zunächst zurückzustellen.

Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Hamburg und Bremen zahlen keine Staatsleistungen. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen.

Die Ampel-Koalition will das Thema angehen. Ziel sei ein entsprechendes Grundsätzegesetz in dieser Wahlperiode, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem epd. Der Bund müsste die Rahmenbedingungen zur Ablösung gesetzlich regeln. Die Gespräche, die darüber Anfang des Jahres in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund, Ländern und Kirchen geführt wurden, liegen aber wegen des Widerstands der Länder derzeit auf Eis.

Die Länder, die zahlen müssten, verweisen wiederum auf die Notwendigkeit der Regelung durch den Bund. Eine Ausnahme ist Bayern: Vertragliche Ablösungen im Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen seien unabhängig von einem Grundsätzegesetz möglich und würden in Bayern insbesondere auf dem Feld staatlicher Baupflichten an kirchlichen Gebäuden seit Jahren praktiziert, hieß es aus dem dortigen Kultusministerium. Ein Sonderfall unter den Ländern ist auch Sachsen, wo nach Angaben der Staatskanzlei in den Kirchenverträgen nach der Wiedervereinigung eine sogenannte Abgeltung in Form der jährlichen Leistungen festgeschrieben wurde. Das Weiterzahlen auf unbefristete Zeit wird dort bereits als Ablösung verstanden.

Wie die Rückmeldungen aus den Bundesländern ergaben, summieren sich die Staatsleistungen inzwischen auf mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr. Rund 638 Millionen Euro zahlen die Länder in diesem Jahr, hauptsächlich an evangelische (rund 356 Millionen Euro) und katholische (rund 247 Millionen Euro) Kirche.

Die Höhe und damit die Bedeutung der Staatsleistungen für Kirchen- und Landeshaushalte variiert dabei stark. Baden-Württemberg zahlt mit 141 Millionen Euro die höchste Summe, Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben mit 42,1 Millionen Euro die höchsten Staatsleistungen pro Einwohner.

Staatsleistungen in Sachsen seit Jahrzehnten vertraglich geregelt

Dresden (epd). Bei der Zahlung der sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen nimmt Sachsen einen Sonderstatus ein: Die Gelder werden den Kirchen jährlich als sogenannte Abgeltungen gezahlt. Dazu hat der Freistaat 1994 und 1996 verbindliche und unbefristete Vereinbarungen getroffen. Damit sind quasi die Ansprüche der Kirchen aus der historischen Staatsleistungsgarantie gegenüber dem Freistaat Sachsen entfallen.

Die Verträge mit den evangelischen Kirchen von 1994 und mit dem Heiligen Stuhl von 1996 stellen die kirchlichen Ansprüche laut Staatskanzlei „auf eine völlig neue Schuldgrundlage“. Damit sei eine einvernehmliche Ablösung der historischen Staatsleistungen bereits erfolgt.

Sachsen zahlt zur Abgeltung jeweils einen jährlichen Gesamtbetrag an die Kirchen. Die Mittel stehen zur freien Verfügung. Eine Prüfung der Verwendung dieser Gelder durch staatliche Stellen findet nicht statt.

2023 erhalten evangelische Kirchen, die komplett oder anteilig auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen liegen, rund 28,6 Millionen Euro. Die katholische Kirche bekommt mehr als 1,1 Millionen Euro. Staatsleistungen werden den Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts gezahlt.

Kündigungsregelungen enthalten die sächsischen Kirchenverträge zu den Abgeltungen nicht. Insofern obliegt es den Vertragspartnern, sich bei Bedarf über anderweitige Vertragsmodalitäten zu verständigen.

Sachsen-Anhalt gegen schnelle Ablösung der Kirchen-Staatsleistungen

Magdeburg (epd). In der Diskussion um die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen hat Sachsen-Anhalt bisher keine abschließende Position festgelegt. „Die Meinungsbildung im Länderkreis, der sich auch Sachsen-Anhalt anschließt, ergibt jedoch einhellig, dass die Länder dem Thema mit großer Zurückhaltung begegnen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ute Albersmann in Magdeburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für alle Länder gelte die Frage, ob in Anbetracht der öffentlichen Haushalte der Zeitpunkt der richtige sei.

Keines der bisher bekannten Modelle zur Ablösung trage der besonderen Lage in Sachsen-Anhalt Rechnung, so Albersmann weiter. Das Land erbringe pro Einwohner die mit Abstand höchsten Staatsleistungen. Es sei Angelegenheit des Bundes, seine im Koalitionsvertrag bekundete Absicht zu konkretisieren.

Nach Angaben der Staatskanzlei erhalten die Evangelischen Gliedkirchen rund 34,9 Millionen Euro im Jahr, die Katholische Kirche gut 7,2 Millionen Euro. Das Land habe mit den Kirchen Verträge geschlossen, in denen unter anderem vereinbart sei, dass jeweils ein nicht zweckgebundener Gesamtzuschuss gewährt werde. Über die Staatsleistungen hinaus gebe es zweckgebundene Leistungen, etwa im Rahmen der Diakonie.

Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Bund ist für die gesetzlichen Rahmenbedingungen zuständig. Verhandlungen über die konkrete Höhe der Ablösesummen müssen allerdings die Länder führen, die die Zahlungen leisten.

Thüringen gegen sofortige Ablösung der Staatsleistungen

Erfurt (epd). Thüringen sieht Pläne der Bundesregierung zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen kritisch. Der entsprechende Verfassungsauftrag müsse zwar umgesetzt werden, erklärte die Erfurter Staatskanzlei auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Nach den enormen Ausgaben für die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona- und der Energiekrise sei derzeit jedoch der „schlechteste Zeitpunkt“.

Die derzeit diskutierten Modelle seien für die Länder mit enormen Mehrausgaben verbunden. Das Ziel der Ablösung der Staatsleistungen stehe damit der Schuldenbremse entgegen. Darüber hinaus dürfte eine höhere Schuldenaufnahme der Länder zur Zahlung höherer Beträge an die Kirchen „schwer zu vermitteln sein“, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei.

In diesem Jahr sind den Angaben zufolge auf der Grundlage der jeweiligen Staatsverträge Zahlungen an die evangelischen Kirchen in Höhe von 22,344 Millionen Euro und an die katholische Kirche in Höhe von 6,853 Millionen Euro vorgesehen. Die Mittel werden demnach nicht zweckgebunden ausgezahlt, sondern als pauschaler Zuschuss.

Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie sind von der Kirchensteuer zu unterscheiden und betragen mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr an evangelische und katholische Kirche. Im Grundgesetz steht eine aus der Weimarer Reichsverfassung übernommene Verpflichtung zur Ablösung der Staatsleistungen.

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Mehr Informationen zum Thema "Staatsleistungen": https://www.ekd.de/staatsleistungen-kurz-erklaert-78471.htm


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