22.12.2024
Nach Anschlag in Magdeburg: Trauer, Fassungslosigkeit und Hetze
Magdeburg (epd). Nach der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt haben am Samstagabend in der Stadt Tausende Menschen der Opfer gedacht.
An einem Trauer- und Gedenkgottesdienst im Magdeburger Dom beteiligten sich Angehörige von Opfern, Rettungskräfte und zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus Land und Bund wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Brandenburg, Reiner Haseloff (CDU) und Dietmar Woidke (SPD).
Der Magdeburger katholische Bischof Gerhard Feige beschrieb die Trauer, Wut und Fassungslosigkeit der Menschen über den brutalen Anschlag. „Gemeinsam sind wir heute Abend hier, um uns gegenseitig Halt zu geben, um auszuhalten, was nicht zu begreifen ist“, sagte Feige.
Der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer rief in seiner Predigt zum Zusammenhalt auf. Gewalttäter „setzten sich auf den Thron der Aufmerksamkeit“, sagte Kramer auch mit Blick auf eine gleichzeitig stattfindende Kundgebung von Rechtsextremisten. Er forderte, diesen keinen Raum zu geben, sondern als Gesellschaft in Solidarität zusammenzustehen.
Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und sächsische Landesbischof Tobias Bilz, sagte, das Attentat ziele darauf, Zusammenhalt und Gemeinschaft in Trennung, Abgrenzung und Hass zu verkehren. „Wir sind zusammen, um dagegen ein Zeichen zu setzen“, sagte Bilz.
Auf dem Domplatz vor der Kirche verfolgten mehr als tausend Menschen den Gedenkgottesdienst auf Videoleinwänden. Um 19.04 Uhr, exakt 24 Stunden nach der Tat, läuteten zudem alle Kirchenglocken der Stadt.
Das Amtsgericht Magdeburg erließ am Samstagabend Haftbefehl gegen den 50-jährigen Tatverdächtigen wegen fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung. Der Mann aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Sachsen-Anhalt lebt und zuletzt als Arzt in Bernburg bei Magdeburg praktiziert hat, war am Freitagabend ungebremst mit einem Auto durch eine Budengasse auf dem Weihnachtsmarkt gerast.
Mehr als 200 Menschen wurden dabei laut Polizei verletzt, darunter mehr als 40 schwer bis sehr schwer. Bei den Getöteten handele es sich um einen neunjährigen Jungen und vier Frauen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren. Kritik gibt es vermehrt an dem Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes.
Über das Motiv der Tat besteht weiter Unklarheit. Der Mann war in den sozialen Netzwerken als aggressiver Islamkritiker und AfD-Sympathisant aufgefallen. Zudem soll er in den vergangenen Jahren Organisationen wie den Zentralrat der Ex-Muslime und eine Ärztekammer massiv bedroht haben.
Unterdessen berichten Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt von vermehrten Übergriffen und Hetzjagden auf Menschen mit ausländischen Wurzeln nach dem Anschlag. Nach Angaben des Landesnetzwerk LAMSA hat es gegen Mitarbeiter und Mitglieder des Verbandes am Samstag Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen gegeben. Am Samstagabend hatte die rechtsextreme Szene zudem zu einer Kundgebung nach Magdeburg mobilisiert. Daran nahmen nach Polizeiangaben 2.100 Menschen teil.
Verband kritisiert rechtsextreme Demonstration in Magdeburg
Halle, Magdeburg (epd). Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) warnt von der Instrumentalisierung der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtmarkt durch die rechte Szene. Es sei inakzeptabel, dass Magdeburg in einer solch schweren Zeit des kollektiven Trauerns zum Schauplatz von Hass und Hetze werde, erklärte der Verband am Sonntag in Halle. Die Zivilgesellschaft müsse sich geschlossen gegen rechte Narrative stellen, um das würdevolle Gedenken an die Verstorbenen und Hinterbliebenen zu wahren.
Als Reaktion auf den Anschlag hatten sich am Samstagabend im Magdeburg nach Polizeiangaben rund 2.100 Rechtsextreme auf einer Kundgebung am Hasselbachplatz versammelt. Dabei sei es vereinzelt zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen, woraufhin mehrere Strafverfahren eingeleitet wurden, hieß es. Laut Beobachtern vor Ort skandierten die Rechtsextremen mehrfach Nazi- und ausländerfeindliche Parolen und forderten eine sofortige „Remigration“.
Laut dem Landesnetzwerk haben Mitarbeiterinnen und Mitglieder des Verbandes mehrere Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen am Rande der rechtsextremen Demonstration bestätigt.„Offensichtlich ist es diesen bodenlos unanständigen Menschen nicht genug, dass die Landeshauptstadt um den Verlust von fünf Menschenleben trauert und das Ganze verarbeiten muss. Sie verbreiten gezielt falsche Narrative und greifen die Menschen an“, erklärte Geschäftsführer Mamad Mohamad. Es sei Aufgabe aller demokratischen Kräfte, gemeinsam dafür zu sorgen, dass Magdeburg nicht in den Sog extremistischer Ideologien gerate.
Fehrs und Bätzing: "Gedanken und Gebete sind in Magdeburg"
Bonn, Hannover (epd). Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit zwei Toten haben die beiden großen Kirchen ihre Anteilnahme ausgedrückt. „Der menschenverachtende Anschlag von Magdeburg macht uns fassungslos“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, und des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Samstag: „Unsere Gedanken und Gebete sind in diesen Stunden in Magdeburg.“
Man trauere mit den Angehörigen der Opfer des furchtbaren Angriffs und bete für die Verletzten und die Verstorbenen sowie für deren Angehörige, die um ihre Liebsten bangen, hieß es weiter: „So viele unschuldige Menschen sind dieser sinnlosen Gewalt unmittelbar vor dem Weihnachtsfest zum Opfer gefallen.“
Ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien soll am Freitagabend gezielt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast sein. Nach Angaben von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) starben dabei mindestens zwei Menschen, ein Erwachsener und ein Kleinkind. Mindestens 60 weitere Menschen sollen verletzt worden sein, viele von ihnen schwer. Am Samstag wurden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Magdeburg erwartet.
Fehrs und Bätzing sprachen den Einsatzkräften und Notfallseelsorgern ihren Dank aus. Am Samstagabend ist ein ökumenischer Gedenkgottesdienst im Magdeburger Dom mit dem mitteldeutschen evangelischen Landesbischof Friedrich Kramer und dem katholischen Bischof Gerhard Feige geplant.
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