31.07.2019
Rund 650.000 Menschen ohne Wohnung

Berlin (epd). Rund 650.000 Menschen haben laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Deutschland keine eigenen vier Wände.

Die meisten von ihnen leben demnach in Notunterkünften, etwa 48.000 seien gänzlich obdachlos und lebten auf der Straße, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft am Dienstag in Berlin mitteilte. Die Schätzung bezieht sich auf das Jahr 2017 und würde auf einem genaueren und verbesserten Schätzmodell basieren, sagte Geschäftsführerin Werena Rosenke. Sozialverbände und Hilfsorganisationen mahnten mehr Anstrengungen für bezahlbaren Wohnraum an.

Den neuen Schätzzahlen zufolge sind unter den Wohnungslosen allein 375.000 anerkannte Asylsuchende in Flüchtlingsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer. Nimmt man die Geflüchteten aus der Zählung, seien 2017 gut 275.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung gewesen. Von den Wohnungslosen seien 40.000 EU-Bürger, etwa 50 Prozent dieser Personen würden auf der Straße leben. "Die meisten dieser EU-Migranten kommen nicht als Wohnungslose nach Deutschland, sondern wegen der Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings scheitern dann eben einige", erklärte Rosenke. 

Die Arbeitsgemeinschaft schätzt die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter den Wohnungslosen auf acht Prozent, 2017 seien es in ganz Deutschland 22.000 junge Menschen gewesen. Die meisten der 275.000 Wohnungslosen ohne Fluchtgeschichte sind laut der Studie Männer, ein Viertel Frauen. Zudem seien 70 Prozent der Wohnungslosen alleinstehend, während 30 Prozent mit einem Partner oder ihren Kindern zusammenleben würden.

Die neue Schätzung korrigiert die Zahl der Wohnungslosen für ganz Deutschland deutlich nach unten, um 210.000 im Vergleich zum Vorjahr. Dies entspreche aber nicht einem tatsächlichen Rückgang der Wohnungslosenzahlen in Deutschland, "sondern ist ausschließlich dem deutlich verbesserten neuen Schätzmodell zuzuschreiben", sagte Rosenke. Das vorherige Modell, das seit 1992 zum Einsatz kam, sei aufgrund von neuen empirischen Studien veraltet gewesen. Das neue Modell würde hingegen auf den empirisch validen Daten der jährlichen Wohnungsnotfallberichterstattung in Nordrhein-Westfalen basieren, die auf Deutschland hochgerechnet würden.

Für Rosenke stellt die neue Schätzung keine Entwarnung dar. Gerade der Anstieg der Wohnungslosenzahlen in Bayern und Nordrhein-Westfalen um 29 Prozent würde einen negativen bundesweiten Trend wahrscheinlich machen: "Es ist deshalb davon auszugehen, dass in Deutschland insgesamt die Wohnungslosenzahlen um zirka 15 bis 20 Prozent von 2016 nach 2017 angestiegen sind", sagte die Geschäftsführerin.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fordert nach eigener Darstellung schon seit Jahren bundesweite Erhebungen der Wohnungslosenzahlen: "Es gab in der Vergangenheit kein großes Interesse an den Wohnungslosen auf Bundesebene. Anders kann ich mir nicht erklären, warum da bisher kaum etwas passiert ist", kritisierte Rosenke. 

Sozialverbände und Hilfsorganisationen äußerten sich besorgt über die Zahlen. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, sprach von "einem unhaltbaren Zustand", der sich ändern müsse. Die Politik müsse umdenken und mehr bezahlbaren Wohnraum bereitstellen: "Bezahlbares Wohnen muss die Regel sein und darf nicht die Ausnahme werden", sagte Bentele. 

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