03.07.2019
Weiter Kritik an Gysi-Auftritt am 9. Oktober in Leipzig
Weimar (epd). Der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Ulrich Kasparick (SPD), hat einen geplanten Auftritt von Linken-Politiker Gregor Gysi am 9. Oktober in Leipzig scharf kritisiert. Dass Gysi am 30. Jahrestag der entscheidenden Leipziger Montagsdemonstration 1989 eine Festrede halten solle, sei eine Ungeheuerlichkeit, schreibt Kasparick in einem Gastbeitrag für die in Weimar erscheinende evangelische Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" (Ausgabe vom 7. Juli).
Gysi repräsentiere eine Partei, "deren Staat wir Bürgerrechtler aktiv bekämpft haben", so Kasparick. Es gehe zu weit, dass "ausgerechnet zu diesem Datum, ausgerechnet in Leipzig, ausgerechnet an einem Ort, den die DDR-Regierung abreißen ließ, ein Repräsentant des alten Systems reden soll und nicht ein Bürgerrechtler", schreibt der Theologe. Gysi war vor der Wende letzter Vorsitzender der Sozialistischen Einheitspartei (SED) der DDR.
Die Philharmonie Leipzig hatte Gysi für den Abend des 9. Oktober eingeladen, im Rahmen eines Konzerts eine Rede zu halten. "Gysi hat das Zeitgeschehen und die demokratische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten geprägt", hieß es in einer Erklärung der Philharmonie. Man habe deshalb Interesse an der Frage, wie er im 30. Jahr nach dem Mauerfall auf diese Zeit blicke.
Dagegen regte sich bereits Ende vergangener Woche massiver Widerstand von DDR-Bürgerrechtlern, die einen offenen Brief veröffentlichten. Wie das Leipziger Archiv Bürgerbewegung am Dienstag mitteilte, haben mittlerweile rund 700 Personen eine Protesterklärung gegen Gysis Auftritt unterzeichnet. "Der 9. Oktober 1989 war der symbolische 14. Juli der ostdeutschen Revolution", erklärten die Bürgerrechtler unter Verweis auf den Beginn der Französischen Revolution 1789: "Und mit dem 9. Oktober hatte Gregor Gysi nichts, aber auch gar nichts zu tun." Deshalb lehne man den Auftritt des Politikers ab. Gysi war auch Vorsitzender der SED-Nachfolgepartei PDS und später lange Jahre Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag.
Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Linke) kritisierte die Position der Bürgerrechtler am Dienstag als heuchlerisch. "Gregor Gysi und die von ihm repräsentierte Partei hat unbestritten einen wichtigen Anteil am friedlichen Verlauf der damaligen Ereignisse und sollte daher sehr wohl das Recht haben, an diesem für alle Leipzigerinnen und Leipziger so bedeutungsvollen Tag, eine Rede zu halten", erklärte er.
In Leipzig hatten am 9. Oktober 1989 mehr als 70.000 Menschen friedlich gegen das SED-Regime protestiert. Das Ereignis gilt als wichtige Wegmarke der friedlichen Revolution in der DDR. Wenige Wochen später fiel die Mauer.
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