Angela Göbke – Kirchenöffnerin, Prädikantin, Flüchtlingshelferin und vieles mehr

Im Schaukasten der Reformationskirche im Magdeburger Stadtteil Rothensee hängt eine Einladung: „Tritt ein zum persönlichen Gebet – Die Kirche ist offen.“

Täglich von 9 bis 19 Uhr sind die Türen der Kirche geöffnet; 10 Stunden, so lange und so zuverlässig, wie sonst keine andere evangelische Kirche in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt.

Als die frühere Landesbischöfin Ilse Junkermann vor einigen Jahren die Gemeinden dazu aufrief, ihre Kirchen zu öffnen, war Angela Göbke noch skeptisch. Die Corona-Zeit mit ihren Einschränkungen war später aber der Auslöser, die Reformationskirche aufzuschließen: „Es kann doch nicht sein, dass wir unsere Kirchen geschlossen lassen, wenn Menschen in Not sind.“

Und so ist es bis heute geblieben. Regelmäßig schauen Menschen in die Kirche hinein. Manche wollen einfach nur die Abkürzung über das Kirchengrundstück nutzen und werfen dann doch einen Blick ins Kircheninnere. Andere kommen ganz gezielt, setzen sich für einen Augenblick in die Bänke, zünden eine Kerze an, oder sie werfen einen Zettel mit ihren Sorgen in das Gebetskästchen neben dem Büchertisch. „Mir haben schon viele Leute gesagt, wie toll sie die offene Kirche finden“, freut sich Angela Göbke.

Auf dem Büchertisch am Eingang hat sie verschiedene Bibelausgaben und ein breites Spektrum an christlicher Literatur ausgebreitet. Daneben eine Kasse des Vertrauens. „Ich freue mich natürlich, wenn jemand Geld hineinlegt, wenn nicht, dann ist auch nicht schlimm. Und wenn jemand eine Bibel klaut? Na Halleluja, umso besser.“ Für Bücher und Bibeln legen Angela Göbke und ihr Ehemann ganz biblisch den Zehnten ihres Einkommens zur Seite. „Das ist meine Jesuskasse. Das Geld gehört nicht mehr mir, sondern ich verwalte es für unseren Herrn. Und wenn ich Bibeln brauche, dann bezahle ich sie davon.“ Vor ein paar Jahren wurden so zum Beispiel auch Bibeln in persischer Sprache angeschafft, um dienstags im Bibellesekreis mit Geflüchteten gemeinsam in der Bibel zu lesen.

Im Bibellesekreis kommen auch die Sorgen auf den Zetteln aus dem Gebetskästchen zur Sprache. Jeden Tag schaut Angela Göbke hinein und nimmt die manchmal auch ganz nahegehenden Schicksale der Menschen mit in die Runde.

Ihre Begeisterung für den Glauben an Jesus Christus teilt die ordinierte Prädikantin  gern mit anderen Menschen. Etwa einmal im Monat feiert sie Gottesdienst in der Reformationskirche oder den anderen beiden Kirchen, Hoffnungskirche und Nicolaikirche, im Kirchspiel-Nord in Magdeburg. Zweimal in der Woche gestaltet sie in der Johanniter-Kita und dem Johanniter-Schulhort in Rothensee die Kinderkirche. „Jesus Lebt“ steht auf der Gitarre, wenn sie singt.

Die Zeit für ihr ehrenamtliches Engagement im Namen des Herrn hat sie mittlerweile. Nachdem die Diplom-Chemikerin 37 Jahre im Landesbetrieb für Hochwasserschutz gearbeitet hat, ist sie im Juli 2024 mit 63 in den Ruhestand gegangen. Drei Jahre später, als ursprünglich geplant, denn „obwohl ich meinen Beruf sehr liebe, hatte ich nach der bestandenen Prüfung im kirchlichen Fernunterricht (KFU) und der Ordination beschlossen, dass ich mit 60 Jahren aufhören will.“

Ihr christlicher Glauben war nicht immer so fest und unerschütterlich. Die gebürtige Bernburgerin hat in Dresden studiert und ist nach Beendigung des Studiums 1984 nach Magdeburg gekommen. Aufgewachsen ist Angela Göbke in einer katholischen Familie. „Ich bin katholisch getauft, gefirmt und mit dem Christentum vertraut. Als Kind und Jugendliche war ich in der katholischen Jugend, jeden Sonntag im Gottesdienst.“ Der Bruch kam mit dem Studium. „Ich war froh, dass ich die Last der Messe los war. Während der Studienzeit war ich…,“ Angela Göbke hält kurz inne und überlegt, „… ich war sehr weit weg von der Kirche, aber dass es Gott gibt, war für mich von Kind an real und daran hat sich nie etwas geändert.“

Die Wege des Herrn sind unergründlich‘ sagt der Volksmund und ähnlich steht es auch im Römerbrief in der Bibel. Bei Angela Göbke könnte man ergänzen, ‚der Weg ist alles andere als gerade.‘

Ab Mitte der 1980er Jahre trugen die Erlebnisse und Begegnungen in Magdeburg dazu bei, dass sie sich  wieder der Kirche als Institution, auch über konfessionelle Grenzen hinaus zuwandt. „Die vielleicht entscheidende Wendung in meinem Leben kam dadurch, dass wir zunächst in der Nähe der Trinitatis-Gemeinde (Magdeburg-Cracau) gewohnt haben. Wir saßen auf Kartoffelkisten, hatten keine Gardinen an den Fenstern, und dann haben die Glocken geläutet. Ich habe in meinem Leben nie zuvor und auch hinterher nicht Glocken so läuten hören wie an diesem Tag. Sie haben wirklich in mein Herz hineingeläutet.“

In Kürze lässt sich die Geschichte von Angela Göbke eigentlich nicht erzählen, zu viele Ereignisse prägten den Weg. In den 1990er Jahren erfolgten Hausbau und Umzug nach Rothensee. Die Verbundenheit in die eher charismatische Trinitiatis-Gemeinde blieb trotz Zugehörigkeit zum Kirchspiel-Nord erhalten. Noch immer aber gehörte sie der katholischen Kirche an. „Ein Austritt kam für mich nicht in Frage!“. Auch nicht, „als der damalige Pfarrer Andreas Herbst, der war etwas unkonventionell, mich auf die Liste für die Gemeindekirchenratswahlen geschrieben hat.“ Erst als sie gewählt wurde, flog alles auf, aber „die katholische Kirche hat mir ganz Wichtiges gegeben und wegen eines äußeren Anlasses, nur damit ich im GKR wirken kann, werfe ich das nicht ab.“

Noch nicht, um genau zu sein. Anfang der 2000er Jahre habe sie mit Anfang 40 beschlossen, „das zu vollziehen, was schon lange gewachsen war. Ich war innerlich schon längst völlig lutherisch, gehörte zu Jesus, und dann bin ich zum Standesamt marschiert, hab meinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt und gleichzeitig gesagt, ich möchte in die evangelische Kirche eintreten.“ Die Standesbeamtin habe ungläubig geschaut, das nicht verstanden. Aber seitdem ist  Angela Göbke  Mitglied der Evangelischen Kirche.

Text: Thorsten Keßler


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