Herr über 1.500 Pfeifen: Der junge Organist Paul Mirow

Durch die Fenster der Kirche St. Maria in Ingersleben (Kirchenkreis Gotha) wirft die Frühlingssonne ihre sanften Strahlen und hüllt den hohen weißen Altar in ein warmes Licht. Kurz zuvor hat es noch geregnet.

Von all dem bekommt Paul Mirow nicht wirklich etwas mit. Der 16-Jährige sitzt an der rund 300 Jahre alten Orgel, über ihm 1.500 mächtige Pfeifen, und spielt Bachs „Praeludium und Fuge in C“. Die Ernsthaftigkeit und Freude beim Spielen sind Paul ins Gesicht geschrieben. Regelmäßig kommt er zum Üben in die Kirche. Denn mindestens einmal im Monat spielt er in der Region Drei Gleichen im Gottesdienst die Orgel, ob in Ingersleben, Apfelstädt oder Neudietendorf.

Schon früh war Paul in St. Maria „zuhause“. Seine Mutter ist Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Paul kam regelmäßig mit in die Kirche, auch nach oben, zur Orgel. Die frühere Organistin brachte ihn dazu, es selbst einmal auszuprobieren. Damals spielte Paul schon mehrere Jahre Klavier. Die Klaviatur war also vertraut, neu waren die Pedale und die Register: „Die Orgel ist einfach ein fantastisches Instrument. Sehr vielfältig. Es ist eines der größten Musikinstrumente, das man spielen kann. Allein bei dieser Orgel hier gibt es schon rund 1.500 Pfeifen. Und das ist bei weitem nicht die größte. Dann diese Handarbeit. Und alles schon seit hunderten Jahren!“

Anfangs spielte Paul nur das Eingangs- und Ausgangsstück im Gottesdienst. Seit einem Jahr begleitet er den ganzen Gottesdienst, mit allen Gemeindeliedern; meist sogar zwei Sonntagsgottesdienste hintereinander. Er sei ohnehin Frühaufsteher, das mache ihm nichts aus. Und die Gottesdienstbesucher freuen sich, dass ein so junger Mensch die Orgel spielt und sie beim Gemeindegesang begleitet: „Beim Weihnachtsgottesdienst hat mir ein Besucher auch mal fünf Euro in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich auf jeden Fall weitermachen soll!“

Den Schlüssel für Kirche und Orgel hat Paul immer in der Tasche. Spontan kommt er dann rüber ins Gotteshaus und übt die Lieder, die der Pfarrer für den nächsten Gottesdienst eingeplant hat. Die Liturgie kann er längst auswendig, aber manch ein Gemeindelied, das zum Beispiel nur zu Erntedank oder St. Johanni gespielt wird, müsse er schon noch üben.

Im Freundeskreis des 16-Jährigen gibt es sonst niemanden mit einem solchen Hobby. Manchmal mache einer einen Scherz, aber komisch angeguckt werde er nicht, sagt Paul.

Seit zwei Jahren nimmt er Orgelunterricht bei Kirchenmusikdirektor Matthias Dreißig an der Predigerkirche in Erfurt. Lieblingskomponist ist Johann Sebastian Bach. Dessen Toccata und Fuge D moll seien einfach „der Hammer“.

Nach dem Abitur will Paul Mirow auf jeden Fall Musik studieren, an der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar – allerdings Klavier, nicht Orgel.

Ein gläubiger Mensch sei er eigentlich nicht, sagt Paul, auch wenn er so regelmäßig in der Kirche sei und die Menschen glücklich mache mit seinem Orgelspiel. „Aber es ist für mich irgendwie ein toller Gedanke, dass es da was Höheres gibt, der bestimmt, was ich so mache hier auf Erden.“

Und dann setzt sich der 16-Jährige wieder an die „Königin der Instrumente“, legt die Finger auf die Klaviatur, zieht die Register - und Bachs „Praeludium“ erfüllt den Kirchenraum.


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