Der gute Geist im Kirchspiel Mehna-Dobitschen: Tina Müller

Tina Müller sitzt im Büro des Pfarrhauses Dobitschen und scrollt durch die Fotos auf ihrem Handy. „Hier, sehen Sie, das war das Krippenspiel letztes Jahr! Da machen immer richtig viele mit, selbst wenn sie nicht Kirchenmitglied sind. Oder hier, das war das Gospelkonzert, da krieg ich heute noch Gänsehaut“.

Tina Müller ist der gute Geist im Pfarrbereich Mehna-Dobitschen. Oder auch „die Mutti für alles“, wie manche sie nennen. Sie schreibt Gebührenbescheide, nimmt Anmeldungen für Taufen und Bestattungen entgegen, sitzt mit im Bauausschuss. Kümmert sich um die Webseite. Erreichbar ist sie fast immer: „Meine Nummer steht ja überall: An der Kirche, am Friedhof, in der Zeitung, im Internet. Überall.“ Alles ehrenamtlich.

Das Steckenpferd der 44-Jährigen: die neun Friedhöfe im Pfarrbereich. Wackelt ein Grabstein? Tina Müller schreibt einen Brief an die Angehörigen. Sie steckt Gräber ab. Telefoniert mit dem Steinmetz, trifft sich für Abstimmungen mit dem Bestatter: „Die Bestatter kommen gerne her, die bekommen von mir Kaffee und Kuchen.“ Kürzlich kam ein Anruf, dass auf einem der Friedhöfe geklaut wurde. Tina Müller sprang sofort ins Auto und fuhr hin.

Und oft spricht sie auch mit den Angehörigen – auch wenn sie keine Seelsorgerin ist: „Ich lasse sie reden, ich rede nicht rein. Ich höre mir das an. Zuhause versuche ich abzuschalten. Manchmal lasse ich dann auch den Tränen freien Lauf.“ Einen Pfarrer oder eine Pfarrerin hat der Pfarrbereich schon seit rund drei Jahren nicht mehr.

Die Ahnenforschung hat es Tina Müller ganz besonders angetan. Im großen Wandschrank im Pfarrbüro stehen die alten Kirchenbücher, viele über die Jahrzehnte vergilbt, das Papier dünn geworden. Die Seiten erzählen Geschichten. „Da musste ich mich aber auch erst reinfuchsen, ins Kirchenbücherlesen. Manche Pfarrer, die haben ja so eine Klaue!“ Aber die alten Bücher beeindrucken die energiegeladene Frau. Die alten Namen und Schreibweisen, die alten Berufe, die es heute oft gar nicht mehr gibt.

Es kommen viele Anfragen von Familien im Pfarrbüro an, auf der Suche nach Angehörigen. Auch Ahnenforscher melden sich und Nachlassgerichte. „Das Einzige, was ich nicht kann, ist Latein. Aber da findet man eine Lösung. Ich lasse nicht locker!“

Als wäre all das noch nicht genug, Tina Müller hat noch einen Job: Sie ist Gemeindekirchenratsvorsitzende in Großröda. Die schöne Saalkirche wird im Volksmund auch ein bisschen augenzwinkernd der „Dom von Großröda“ genannt. Das Gotteshaus ist, wie so viele in der EKM, in die Jahre gekommen. Derzeit wird endlich die Südfassade gemacht. Die Stiftung KiBa fördert das Vorhaben mit 5.000 Euro. Tina Müller ist quasi Bauherrin bei diesem aufwendigen Projekt. Sie hält den Kontakt zum Architekten. Und sie organisiert Konzerte in der Kirche. So kommt Leben ins Gotteshaus – und auch ein bisschen Geld. Vergangenes Jahr trat die Band „Karussell“ auf - und kommt dieses Jahr wieder. Und im August hat sich ein Gospelchor aus Hamburg angekündigt. Die hatten von der Kirche erfahren und wollten hier unbedingt auftreten: „Ich will aus der Kirche keine reine Eventkirche machen, aber es muss ja auch mal was los sein!“

Bei den Konzerten ist die Kirche voll. „Karussell hat die Kirche gerockt!“, sagt Tina Müller. Dann ist auch das ganze Dorf auf den Beinen und hilft mit: Bänke werden geschleppt, der Rost organisiert. Und die Feuerwehr stellt die Gulaschkanone auf.

Ob Tina Müller 2025 für den Gemeindekirchenrat noch mal kandidieren wird, weiß sie heute noch nicht. Denn diejenigen, die sich aktiv engagieren, werden immer weniger bei immer mehr Aufgaben. Diese Überforderung im Ehrenamt geht auf Dauer nicht gut, auch weil einem die nicht lösbaren Probleme nicht loslassen und gesundheitlich belasten. Da muss man sich selbst beschränken und – notgedrungen - Grenzen ziehen.

Aber die nächste Idee für den Pfarrbereich Mehna-Dobitschen hat Tina Müller dennoch schon: eine Andacht für die Familien aus Starkenberg bei Großröda. Sie wurden kurz vor Ende des 2. Weltkriegs durch Bomben ausgelöscht. Nächstes Jahr im Februar will Tina Müller gemeinsam mit Pfarrer und Angehörigen genau an der Stelle an diese Familien erinnern. Und im April 2025 ist eine Andacht für die gefallenen Flaksoldaten geplant, an den Gräbern in Großröda. Da gibt es auch noch Angehörige. Die meisten stammen aus Österreich.


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