21.08.2024
Uni Jena startet Projekt gegen Geschichtsrevisionismus
Jena/Weimar (epd). Die Friedrich-Schiller-Universität Jena will in einem Forschungsprojekt geschichtsrevisionistische Mythen und Verschwörungserzählungen systematisch aufarbeiten.
Das Phänomen habe in den vergangenen Jahren vor allem durch deren Verbreitung im Internet stark zugenommen, sagte der Direktor der Thüringer Gedenkstätten-Stiftung und Geschichtsprofessor der Universität, Jens-Christian Wagner, am Dienstag in Jena.
Seit Dienstag sei der Blog „Geschichte statt Mythen“ im Internet freigeschaltet, der in den kommenden Monaten geschichtsrevisionistische Erzählungen systematisch erfasse, auswerte und der Öffentlichkeit vorstelle, hieß es. Desinformation und verzerrte Darstellungen der Vergangenheit forderten die demokratische Gesellschaft heraus.
Im Rahmen des Projekts werde zudem eine Karte im Internet erstellt, die Thüringer Orte mit geschichtsrevisionistischen Bezügen identifiziere, hieß es weiter. Dort seien Orte zu finden, von denen aus geschichtsrevisionistische Mythen verbreitet werden. Auch über Orte wie die Gedenkstätte Buchenwald, die regelmäßig Ziel von Versuchen ahistorischer Umschreibungen seien, werde informiert.
Wagner sagte, geschichtsrevisionistische Erzählungen seien in den vergangenen Jahren in Thüringen ein wesentliches propagandistisches und ideologisches Kampffeld der extrem rechten Szene rund um die AfD geworden. Ihre Funktion bestehe darin, die deutsche Geschichte in eine Erfolgsgeschichte umzudeuten. Auf diese Geschichte wolle die Szene stolz sein. Daher werde dort die Zeit des Nationalsozialismus kleingeredet oder die Schuld auf Dritte geschoben.
Gerade während der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und gegen die Unterstützung der Ukraine hätten sich geschichtsrevisionistische Mythen häufig unwidersprochen verbreitet, hieß es. Inzwischen könnten viele Bürgerinnen und Bürger geschichtsrevisionistische Signalwörter und Erzählungen nicht mehr erkennen. Dies könne dazu betragen, rechtsextremen Positionen den Boden zu bereiten.
Viele der revisionistischen Erzählungen versuchten bewusst, an die ostdeutsche Erinnerungskultur anzuknüpfen, hieß es. So werde etwa bei Montagsdemonstrationen der rechten Szene offen die Geste der Schwurhand von Buchenwald gezeigt. In ihrem historischen Kern sei dies die beeidete Verpflichtung der KZ-Opfer, nie wieder Faschismus zuzulassen. Nun werde sie als Symbol für Antiamerikanismus und Antiliberalismus missbraucht.
Den Anstoß für das Projekt habe der zurückliegende Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters in Nordhausen gegeben, hieß es. Dort sei ein AfD-Kandidat, der sich offen geschichtsrevisionistischer Erzählungen bediente, erst in der Stichwahl gestoppt worden. Auch Medienvertreter hätten die verwendeten Signalwörter nicht immer richtig einordnen können.
Das Projekt in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ist zunächst bis April 2025 befristet. Es wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft mit insgesamt 46.000 Euro finanziert. Derzeit bemühen sich die Projektpartner laut Wagner um eine Anschlussfinanzierung durch den Freistaat Thüringen.