15.10.2018
Andacht von Oberkirchenrat Christhard Wagner am 02.12.2017

Landeskirchenrat Dom-Remter Magdeburg

Liebe Schwestern und Brüder,

1 Weiter, ihr Brüder und Schwestern, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch

2 und dass wir gerettet werden vor falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.

3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.

4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.

5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus.

Liebe Schwestern und Brüder,
am Morgen vier übersichtliche Gedanken :

1. Betet für uns
2. Der Glaube ist nicht jedermanns Ding
3. Der Herr ist treu
4. Bleibt locker

Der Apostel bittet die Gemeinde in Thessalonich: Betet für uns. Franziskus bittet regelmäßig: Betet für uns. Die Fürbitte war und ist existentiell für die Christenheit.
Wir beklagen regelmäßig die schwindende Gebetspraxis unter uns.
Wer betet noch vor dem Essen, wo wird am Bett von Kindern gebetet?
Ja, das Beten scheint regelrecht peinlich zu sein – allein etwas für die bezahlten Profis.
Andererseits sehe ich die Gebetspinnwand in der Augustinerkirche in Erfurt – oder die sich ausbreitende Zahl von Gebets-Kerzenleuchtern in unseren Kirchen.

Offensichtlich ist das Gebet lebendiger als wir meinen und sucht sich nur neue Ausdrucksformen.

Wenn ich die Gebetsanliegen in der Augustinerkirche lese – sie werden im Übrigen in einer Auswahl zum Mittagsgebet vorgelesen, stelle ich fest: es ist mitnichten so, dass die Fürbitten sich allein auf eigene Hoffnungen und Bitten reduzieren. Es sind im ganz biblischen Sinne Fürbitten – und so mancher Dank ist auch dabei.

Deshalb ist es gut, diesem scheinbar verdunsteten, tief im Inneren jedoch noch immer lebendigen Wunsch nach dem Gebet ernst zu nehmen: Orte des Gebets anbieten, das stille Gebet wieder entdecken, unbekümmerter das Gebet ins Spiel zu bringen.
Wenn ich in Gesprächen, die ein Gebet brauchten, meine protestantische Scheu überwand und fragte, ob wir noch ein Gebet miteinander sprechen, habe ich immer ein dankbares „Ja“ gehört.

Sie kennen den Satz: Not lehrt beten. Das ist wohl so. Ich kenne so manchen, der das Gebet erst in der Not wieder oder ganz neu entdeckt hat.
Das ist auch völlig legitim. Trotzdem seien dazu drei Anmerkungen erlaubt. Wenn wir beten, rechnen wir mit Gott. Es könnte die Frage aufkommen: als es dir gut ging, als du mit Segen beschenkt wurdest: wo war da dein Dank? Sage niemand: dazu war keine Zeit.

Ein zweiter Gedanke: und wie ist das mit eurer Fürbitte? Geht euch das Leid des Anderen so wenig nahe? Zur Fürbitte gehört im Übrigen: wir laden nicht einfach das Problem bei Gott ab. So, jetzt weißt du es. Kümmere dich darum. Wir sollen und können das uns mögliche tun, unser Gebet ein Stück weit selbst zu erfüllen. Das Gute bleibt: wir wissen, dass Gott mitmacht und wir uns nicht überfordern, wenn wir anpacken.
Sie kennen den Choralvers: die Hände, die zum Beten ruhn, die macht er stark zur Tat, und was der Beter Hände tun, geschieht nach seinem Rat.

Ein dritter Gedanke: Beten muss gelernt sein. Damit meine ich natürlich nicht, dass unser Gebet rhetorisch und theologisch geschliffen sein muss.
Gott versteht uns – gestottert, gestammelt, geschwiegen. Trotzdem braucht es Übung. Leider sind die regelmäßigen Gebetszeiten, die den Tag unserer Vorfahren prägten, nicht mehr üblich. Mancher wundert sich, dass um 12.00 und um 18.00 die Glocken läuten. Sie rufen zum Gebet.

Ich kann uns allen nur empfehlen: üben wir uns im Gebet. Ein leichter Anfang könnte sein, das Vaterunser zu festgelegten Tageszeiten zu beten.
Und zwischen jeder Bitte so viel Raum zu lassen, um das, was mir heute nahe geht, mit diesem Gebet zu verbinden.
 
2. Der Glaube ist nicht jedermanns Ding…
Der Satz, so lapidar er daherkommt, könnte auch von heute sein.
Wir kennen aus der DDR die kämpferische, bösartige, ideologische Ablehnung des Glaubens.  Viele Christen haben darunter gelitten.

Doch was war dies gegenüber der Verfolgung, Drangsalierung und schlimmster Gewalt bis zum Tod, die Christen zur Zeit  weltweit erleiden. Diese Christen werden den Satz: „ betet für uns, dass das Wort laufe und gepriesen werde bei euch und das wir gerettet werden vor falschen und bösen Menschen“ noch viel inbrünstiger nachsprechen.

Unsere Fürbitte ist gefragt und auch hier unser ernsthaftes Bemühen, unsere Gebete zu bekräftigen.

 Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“: der Satz passt natürlich auch zu uns im Epizentrum der Glaubensferne.
Es schmerzt uns hoffentlich, dass der Glaube für die meisten Menschen nicht einmal mehr eine Frage ist.
Ich will mich auch nicht vorschnell damit trösten, dass so etwas offensichtlich nichts Neues ist.

Wir können doch nicht einfach mit der Schulter zucken, wenn Menschen nicht der Liebe Gottes vertrauen können, wenn Menschen ganz auf sich allein gestellt sind, nichts von Gnade, Vergebung, Trost und Ermutigung wissen, weil sie nie die Chance dazu bekommen.
Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.
Es wäre tragisch, wenn hier der Brief endete. Nicht unser Bier. So ist es nun mal. C´est la vie.

3. Doch es kommt noch was: „Aber der HERR ist treu.“

Der Apostel lenkt den Blick weg von der Situation, wie sie uns vor Augen steht und hin zu Gottes Größe und Treue.
Der HERR der Welt, der jeden Menschen in seinen Händen hält, der hat versprochen: ich bin treu.

Er hat sich festgelegt. Er zieht seine Hand nicht zurück.
Mag sein, dass wir seinen Plan nicht überblicken – oder selbst meinen, es besser zu wissen und ehrgeizige Feuer entfachen.

Mag sein, dass wir angesichts der scheinbar unabwendbar fortschreitenden Gottlosigkeit verzweifeln. Der HERR ist treu.
Seine Welt – und nicht einmal dieses Land ist gottlos.
Es ist Gottes Welt. Wir sind seine Töchter und Söhne, selbst wenn wir uns lossagen oder es nicht einmal wissen.

4. Am Ende dieses Abschnittes – den Rest lasse ich weg, da wird vor Müßiggang gewarnt und gedroht, dass wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll, am Ende dieses Abschnittes heißt es:
„Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.“

Geduld wird in der lateinischen Fassung der Bibel mit Toleranz übersetzt.
Angesichts der Anfeindungen, angesichts der verächtlichen Ignoranz, angesichts der schmerzlichen Normalität des Unglaubens bittet der Apostel um Toleranz.
Ertragt das. Zahlt nicht mit gleicher Münze zurück.
Dreht euch nicht ignorant zur Seite. Werdet nicht verbissen, verurteilt nicht.
Das bedeutet nicht etwa, euren Glauben zu verleugnen. Die Worte des Petrusbriefs gelten: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“
Aber werdet nicht ideologisch, verkrampft- missionarisch, sondern bleibt geduldig und gelassen.
Ideologen sind unangenehm. Authentische Zeugen anziehend.
Lasst euch von der Geduld Jesu anstecken. Der HERR ist treu.
Wir sind nur die Hilfsarbeiter. Wir können nur darum bitten, dass das Wort läuft.

Ein junger Mann aus der Jungen Gemeinde in Heidenau gab mir ganz am Anfang meiner Vikariatszeit, als ich etwas unbedingt und sofort und mit ganzer Kraft erreichen wollte, eine Lebensweisheit auf den Weg, die mich bis heute begleitet. Sie steht so nicht in der Bibel, aber sie könnte da stehen.
Als ich einmal offensichtlich zu viel aus eigener Kraft wollte, nahm er mich beiseite, schaute mir tief in die Augen und sagte im breitesten Dresdner sächsisch: „Nu mache disch ma ni borös.“

Amen.


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