08.05.2020
Landtags-Andacht von OKR Christhard Wagner im Steigerwaldstadion Erfurt (8.5.2020)
Heute ist ein besonderer Tag. Wir gedenken des Tags der Befreiung- soeben auf dem Friedhof und heute Abend in der Ruine der Barfüsserkirche. Die Andacht jetzt hat ein anderes Ereignis im Blick. Wir haben zwei Monate Corona hinter uns – und noch viele Monate vor uns.
Eine Andacht auf dem Rasen des Steigerwald - Stadions gehört zu den positiven Ausnahmen dieser besonderen Zeit.
Der heilige Otto hat dereinst die Weisheit geprägt: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz.“ Was liegt auf diesem Platz? Leider eine traurige Wahrheit: Rot-Weiß ist tot. Jedenfalls so gut wie.
Und auch wir kommen aus dem Spiel des Lebens nicht lebend heraus. Diese Gewissheit ist vielen Menschen in diesen Wochen deutlich vor Augen getreten. Wir werden sterben.
Allerdings dürfen wir Christen mehr hoffen als Rot-Weiß. Denn auch wenn wir sterben: wir steigen auf. Wir haben ein Freilos. Wir steigen auf in Gottes Welt. Das ist mehr als Champions League.
Das ist der Ton der Osterzeit.
Das ist eigentlich ein Grund zum Singen. Doch wir wollen mit unserer Freude zwar alle anstecken, aber nicht krank machen. Deshalb singt nur einer von uns, und die anderen summen mit.
Liebe Gemeinde,
ich werde diese schlimme Pandemie bestimmt nicht religiös instrumentalisieren. Diese Krise bleibt ein Elend, für Viele eine Katastrophe und ein Unglück - wirtschaftlich, gesundheitlich, beruflich.
Familien stehen unter Stress, andere ängstigen sich um ihre Liebsten,
und Viele gehen in der Einsamkeit ein.
Und es finden sich Trolle, die daraus ihr ganz eigenes Süppchen kochen wollen: Verschwörungstheoretiker, politische Trittbrettfahrer, gnadenlose Egoisten.
Für manche ist diese Krise auch ein Schock. Durch glückliche Umstände, die nicht ihr Verdienst sind, ist ihnen Krieg, wirtschaftliche Not oder politische Bedrängnis bisher erspart geblieben. Sie kennen nicht, was für viele Menschen schon immer zum Leben gehörte und gehört, Krankheit, Beschränkung im Leben, Leid.
Dies hat sie zu der irrigen Annahme gebracht, das sie einen Anspruch auf die Abwesenheit derartiger Zumutungen haben.
Der Schock kann heilsam sein: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“
Die Oberfläche des Lebens, auf der wir es uns bequem gemacht haben - sie hat sich geöffnet. Für die Einen tut sich ein Abgrund auf – es ist aber auch möglich, zu einer neuen Tiefe gelangen, die uns fragen lässt: Was ist wirklich wichtig im Leben? Setzen wir die richtigen Prioritäten?
Die Angst ist spürbar und macht sich auf unterschiedliche Weise Luft. Lebens-Angst wird mit Hamsterkäufen bekämpft. Die Angst, dass vermeintliche Sicherheiten uns durch die Finger rinnen, lähmt oder lässt uns irrationalen Verschwörungstheorien folgen.
Die Sorge um die Liebsten versetzt uns in Panik.
Die Sorge diszipliniert uns. Wir sind fast ohne Murren bereit, Freiheitsrechte abzugeben.
Die Sorge ist in das Leben eingezogen.
Nun kommt die Bibel ins Spiel. Für Viele ein Buch mit sieben Siegeln.
So mancher meint, dort nur lebensferne uralte Märchen zu finden. Nur wenige Kenner wissen-Sie gehören dazu:
In der Bibel finden wir das pralle Leben. Die größte Hoffnung, das tiefste Leid. Die größte Verzweiflung, der schönste Trost. Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben – und die durch die Jahrhunderte immer wieder bestätigt wurden.
Wer allein den 23. Psalm liest, versteht: Die Bibel ist ein Lebensbuch. Sie weiß um die dunklen Seiten des Lebens, die Schuld und die Not.
Die Sorge: sie gehört zum Leben.
Wir hören die Worte: und ob ich schon wanderte im finsteren Tal.
Das finstere Tal wird weder ausgeblendet noch wird ihm ausgewichen. Das ist lebensnah – natürlich führt unser Lebensweg durch finstere Täler. Natürlich geraten wir in Unglück. Das gehört zum Leben dazu. Wir müssen nicht erschrecken.
Wir weichen den Sorgen nicht aus.
Auch nicht den Sorgen der Anderen. Wir sehen sie. Wir teilen sie.
Der Psalm kennt die Sorge. Er nimmt sie ernst. Doch er geht weiter mit uns:
Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.
Aus Angst und Sorge wird Zuversicht. Wir kommen durch! Er führt mich auf rechter Straße. Und schon auf dem Weg öffnet sich das Tal.
Eine grüne Weide erwartet uns – wir werden mit frischem Wasser erquickt.
Ich wünsche uns allen ausreichend Gelegenheiten, auf grünen Weiden zu rasten – mit frischem Wasser erquickt zu werden, um für den Weg, der noch zu gehen ist, Kraft und Zuversicht zu schöpfen.
Niemand sagt, dass es ein Spaziergang werden wird. Dieser Weg wird kein leichter sein - aber wir gehen ihn fröhlich und zuversichtlich.
Denn wir wissen zweierlei:
Zum einen: wir gehen diesen Weg nicht allein. Wir werden von unserem guten Hirten geführt. Der führt uns nicht in die Irre. Der verlässt uns nicht.
Und zum zweiten: dieser Weg führt an ein Ziel. Wir kennen das ja: die Ungewissheit, eventuell in die falsche Richtung zu laufen, demotiviert und macht die Beine schwer. Dagegen: wenn wir sicher sind, auf dem richtigen Weg zu sein, verkürzt dies den Weg zwar nicht, aber macht uns flotte Beine.
Aus der Sorge ist Zuversicht geworden. Aus der Zuversicht wächst Gemeinsinn.
Es wurde in den letzten zwei Monaten viel Gutes geweckt: ein erstaunlicher Gemeinsinn zeigte sich. Der Zwischenerfolg in der Krise ist ein Erfolg des Gemeinsinns: auf der einen Seite ein Staat, der auf Fachleute hört und mutige Entscheidungen trifft – auf der anderen Seite die Gesellschaft, die Zumutungen erträgt - um der Gefährdeten willen.
Wir können wir uns freuen über die vielen kleinen und großen Gesten der Solidarität, des Mitgefühls, der Wertschätzung und der Kreativität. Die Krise hat viel Gutes geweckt, was verschüttet war.
Das stimmt mich hoffnungsvoll. Für Alles, was vor uns liegt. Es kann gelingen. Mit Mut, Realitäts- und Gemeinsinn. Mit Gottes Hilfe.
Am Ende des Psalms wird ein Tisch mit Köstlichkeiten ist für uns gedeckt. Gutes und Barmherzigkeit gehören zu unserem Leben. Uns wird eingeschenkt. Wir teilen aus.
So wie wir Gutes und Barmherzigkeit erleben, geben wir es gerne weiter. Wie Gott mir, so ich dir.
Amen