31.01.2019
Ökumenische Andacht von Oberkirchenrat Christhard Wagner im Thüringer Landtag am 31.01.2019
Frieden kommt nicht von allein daher. Wir müssen ihn suchen. Ihm nachjagen.
Liebe Landtagsgemeinde,
Pfarrer Otto Riethmüller hielt es nicht länger aus. Er konnte die Naziparolen nicht mehr hören. Deshalb setzte er 1930 etwas dagegen. Er proklamierte eine biblische Jahreslosung. Sie stammte aus dem Römerbrief im 1. Kapitel und hieß „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht.“
Seither gibt es für jedes Jahr eine Jahreslosung. Sie begleitet Menschen durch das Jahr. Oft genug wird dieses Bibelwort lebendig und erstaunlich aktuell. Es ermuntert, tröstet, bringt in Bewegung.
Für mich war die Jahreslosung 1984 ungemein wichtig. Als junger Pfarrer hatte ich mich mit einigen Leuten, die mir richtig Ärger hätten machen können, angelegt.
Die Jahreslosung gab mir Boden unter die Füße: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Manche Theologen meinen, jedes Bibelwort braucht zum vollen Verständnis einen Kontext – Ich bin da ganz fromm und vertraue auf den einen Satz, ob nun als Jahreslosung oder als tägliche Losung – übrigens auch ganz praktisch als App auf dem Telefon!
Nun aber zur Jahreslosung 2019. Wir finden sie im Psalm 34.
Ein wichtiger, ein wertvoller, ein wunderschöner Psalm mit Weisheiten für 10 Predigten.
Wir achten auf eine Frage, die in der Mitte des Psalms auftaucht:
Wer ist´s, der Leben begehrt und gerne gute Tage hätte?
Da gehen alle Finger hoch. Ja. Ich will das ganze, erfüllte Leben. Ja. Ich will gerne gute Tage haben.
Und wie kann das gelingen ? Lebe so, wie es Gott gefällt.
Der Herr kennt dich. Er hat dich mit Talenten begabt. Jesus sagt dazu im Lukasevangelium im 12. Kapitel: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen, und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Der Herr kennt deine Begabungen, aber er weiß auch um deine Grenzen. Er erwartet nicht mehr, als du zu leisten imstande bist. Er hört auch deine Klagen, er steht dir bei, wenn es eng wird.
Wie kannst du glücklich leben? Entfalte deine Gaben – erfülle die Hoffnung, die Gott in dich setzt. Ihm zur Ehre und den Menschen zum Segen.
Eine Empfehlung des Psalms, anderen zum Segen und damit selbst glücklich zu werden, finden wir in unserer Jahreslosung: „Suche Frieden und jage ihm nach.“
Jesus nimmt diesen Satz in seinen Seligpreisungen auf. Er sagt auf dem Berg oberhalb des Sees Genezareth: Selig – und das bedeutet noch mehr als glücklich - sind die Friedensstifter.
Also: Gottes Erwartungen in mich, den Frieden zu suchen und ihm hinterherzujagen ist kein moralischer Zeigefinger, sondern ein Versprechen: Damit machst du dich auch selbst glücklich!
Der Frieden, von dem der Psalmbeter spricht, der kommt nicht von allein. Wir sollen ihn suchen. Wir sollen ihm nachjagen. Wie kann das aussehen? Der Psalm empfiehlt als einen möglichen Friedensschritt:
„Behüte deine Zunge vor Bösen und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.“ Könnte glatt Grundlage einer gemeinsamen Wahlkampfvereinbarung sein.
Der Unfrieden kommt von allein: Vorwürfe geschehen. Zerwürfnisse entstehen. Verletzungen passieren. Krieg kommt. Alles scheinbar unausweichlich. Von uns losgelöst. Viele finden sich damit ab. Viele sind müde geworden. Oder zynisch. Oder verstecken sich auf ihrer privaten Friedensinsel. Sie legen für sich fest: Die Erwartungen der Jahreslosung haben nur ihre Gültigkeit innerhalb meines Familien- und Freundeskreises.
Suchen und jagen dagegen sind starke Tätigkeitsworte.
Frieden kommt nicht von allein daher. Wir müssen ihn suchen. Ihm nachjagen.
Die Bibel ist realitätsnah. Sie weiß: die Friedens - Lösungen liegen nicht immer auf der Hand. Deshalb sollen wir sie suchen: mit Phantasie und Weisheit, Geduld und einer gehörigen Portion Frustrationstoleranz.
Und wenn wir eine Ahnung haben, wie wir zu Frieden im Kleinen wie im Großen kommen können, sollen wir ihm hinterherjagen. Mit Lust und Leidenschaft – ja, es darf auch Spaß machen ! Denken wir an unsere Kindheit: wie wir mit Jauchzen den anderen fingen oder uns genauso gerne fangen ließen.
Nachjagen bedeutet auch: nicht zu schnell aufgeben. Ausdauernd hartnäckig zu bleiben. Die großen Friedensziele brauchen einen langen Atem.
Deutschland exportiert als viertgrößter Waffenproduzent Krieg in die Welt. Das muss nicht so bleiben. Und das wird nicht so bleiben. Ein langer Atem ist nötig. Der große Frieden, für den wir in Europa nun schon über 70 Jahre dankbar sein können und der kleine Frieden, den wir suchen und dem wir nachjagen: in der Familie, im Freundeskreis, in der Partei, im Parlament – sie gehören zusammen.
Jeder von uns kann ihn suchen, ihm nachjagen. Im Großen und im Kleinen.
Und es geht ganz klein. Auch wenn wir uns nicht damit zufrieden geben sollten.
Ein Mönch wurde gefragt: „Was kann ich als kleiner Mensch schon zum großen Frieden beitragen? Der Mönch antwortete: „Wenn du gleich das Zimmer verlässt, dann schlage doch bitte die Tür nicht so laut zu.“
Amen