12.06.2020
Predigt von Regionalbischöfin Dr. Friederike F. Spengler zur Einsegnung von Erzieherinnen nach Abschluss "Religionspädagogische Qualifikation" im PTI Neudietendorf am 12.06.2020
Dr. Friederike F. Spengler, Regionalbischöfin der Propstei Gera-Weimar
Liebe Erzieherinnen und Erzieher,
zur Vorbereitung dieses Gottesdienstes durfte ich Sie im digitalen Raum treffen. Da waren Sie von zu Hause oder von einem selbstgewählten Ort aus zugeschalten. Die Kursleiterin hatte Sie ermuntert, einen Gegenstand mit an den Bildschirm zu bringen, der symbolisch für die Zeit steht, die sie mit dem heutigen Tag abschließen: Ihre religionspädagogische Qualifizierung. Was da gezeigt wurde, war tiefsinniges Symbol und Momentaufnahme in Einem: eine Flasche mit Wasser, der Spazierstock, ein Herz, der Blick an den gemeinsamen Esstisch, ein selbstgefilzter Ball, eine Kerze, eine Wurzel, ein weiterer Ball und eine Brille. Was ist dem gemeinsam? Alles sind geniale Bilder für Ihre Situation. Ausdruck Ihrer derzeitigen Vorfindlichkeit.
Ich schaue in den Text, den Sie sich als Gruppe für heute aus möglichen biblischen Lesungen ausgesucht haben: Von verschiedenen Begabungen, unterschiedlichen Ämtern und Aufgaben ist da die Rede. Das war ihnen wichtig: Dass sie sich mit ihrer Unterschiedlichkeit, ihren verschiedenen Charakteren, der Vielfalt an Lebenswegen und Entwürfen (schließlich sind Sie eine Gruppe aus zwei Generationen von Männern und Frauen) darin wiederfinden. Im Brief an die Gemeinde in Rom aus dem Jahr 56 n. Christus, wurden sie fündig. Eingebettet sind diese Verse aus dem Neuen Testament in die Beschreibung der Gemeinde. Paulus, ein jüdischer Gelehrter, großartiger Kenner der Heiligen Schrift und Ausleger des Wortes Gottes, antwortet auf die Frage: Was macht eine Gemeinschaft, was macht die christliche Gemeinde eigentlich aus. Und Paulus wäre mit seiner Theologie nicht halb so berühmt geworden, wenn er nicht immer wieder Bilder gefunden hätte. Geniale Bilder, mit denen die Zuhörenden sofort und auch noch später etwas anfangen konnten.
Für mich sind Sie, liebe Erzieherinnen und Erzieher, Bildsucher für Gott. Ja, religiöse Erziehung beruht auf gemeinsamer Bildsuche. Gemeinsam mit den Kindern.
Religiöse Sprache ist uneigentliche Sprache, sie verweist auf Größeres, in Worten nicht Fassbares, sie ist auf Bilder angewiesen, sie ist Bildersprache. Unser Reden von Gott ist eine Sprache im Bild. Sie ist nicht unmittelbar, nur mittelbar eine Ausdruck von dem – wie es ein großer Theologe einmal sagte – von dem, was uns unmittelbar angeht. Wir brauchen Bilder, um das Unfassbare fassbarer zu machen, vorstellbar, übersetzbar. Für uns selbst und für die und mit denen, zu denen Sie geschickt werden.
Bilder. Bilderbücher sind die ersten Bücher, die ein Kind in die Hand bekommt. Mit einfachen Bildern ohne kleinteilige Details, geben sie symbolhaft der Umwelt des Kindes Gestalt. Solche Bilder lassen Vergleiche zu, geben Unbekanntem einen Namen und geben dem Gehirn die Möglichkeit, Erfahrungen zuzuordnen. Die Bibel macht das auch. Sie ist Bilderbuch der Geschichte Gottes mit der ganzen Kreatur.
Im von Ihnen ausgewählten Textabschnitt aus dem Römerbrief werden die unterschiedlichen Begabungen von Menschen einer Gruppe, einer Gemeinschaft, mit dem Bild der verschiedenen Glieder an dem einen Leib verbunden. Jedes Körperteil hat seine Aufgabe und doch ergeben sie erst zusammen das Große und Ganze. Und von Jedem, der hier dazu gehört und in diese Gemeinschaft hinein verortet ist, wird auch nur das erwartet, wozu er da ist: Von einem Fuß wird keiner erwarten, dass er tief Luft holt und das Blut mit Sauerstoff anreichert. Dass er den Körper aber von A nach B trägt, schon. Von keinem Auge wird erwartet, dass es den Dreck aus dem Blut herauswäscht und elegant nach Draußen ableitet – von einer Niere schon. Sollte aber eine Niere dazu da sein, den Liebsten zu küssen oder dem Kind über den Kopf zu streicheln? Eher nicht…
Bilder müssen passen. Sonst führen sie uns auf Abwege. Insofern haben wir eine Verantwortung, gute Bilder anzubieten. Die Kirche ist auch Suchgemeinschaft nach Bildern für Gott. Wo sie sich ohne Wenn und Aber festlegt, wird sie dogmatisch. Wo sie alles unkommentiert lässt, wird sie egal. Christen suchen ihre Gottesbilder im Dialog nach zwei Seiten: im Dialog mit der Bibel und im Dialog untereinander. Dabei werden unsere eigenen Bilder immer wieder neu überprüft. Hält das Bild von Jesus als dem guten Hirten meiner Glaubenserfahrung jetzt und hier stand? Ist es vielleicht gerade viel eher der Felsen, auf den ich bauen kann oder der Stab, an dem ich mich abstütze? Brauche ich gerade eher das Bild vom Weinstock, an dem ich eine Rebe bin oder das des lebendigen Wassers, sprudelnd frisch und lebensspendend?
Ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihre eigenen Bilder immer wieder für sich entdecken werden, wenn Sie mit Gottes Wort und mit den Menschen - bei Ihnen ganz besonders mit den Kindern – auf der Suche bleiben. Kinder sind Experten im Bildersuchen und deshalb finden auch Kinder und die Bibel als Buch der Bilder für Gott ganz wunderbar zueinander! Nur anbieten muss man sie ihnen. Dazu sind SIE jetzt gut ausgebildet.
Ein Bild möchte ich Ihnen im heutigen Gottesdienst zu Ihrer Einsegnung anbieten: Es ist das Bild der Taube. Wir kommen im Kirchenjahr gerade von Himmelfahrt und Pfingsten her und haben am Sonntag von der Dreieinigkeit Gottes gepredigt. Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Wesensäußerung Gottes als Geistkraft, meist Heiliger Geist genannt, wird mit einer Taube versinnbildlicht. Nachher, in Ihrer Einsegnung, werden wir für sie um eben diesen Geist Gottes für Ihren Wegen der Bildersuche des Glaubens bitten.
Die Taube. Schon im alten China nutzte man die Taube als Symbol ewiger Liebe zur Hochzeit. Tauben treten oft zu Zweit auf und teilen sich in die Brutpflege. Im sogenannten abendländischen Teil der Erde, galt die Taube von alters her als besonders treu, weil sie (angeblich oder wirklich?) nach dem Tod ihres Partners keine neue Partnerschaft eingeht. Die Taube gilt als friedfertig und sanft. Seit der Antike ist sie der Friedensvogel per excellence. Und natürlich hat sie ihr unverwechselbaren Symbolgehalt aus der Bibel: Es ist die Arche, es ist Noah, der sie weltberühmt machte: Nach 40 Tagen Regen und weiteren Wochen des absinkenden Wassers, schickt Noah nacheinander zunächst einen Raben und dann Tauben aus, zu sehen, ob die Erde wieder bewohnbar sei. Und siehe da: Es ist Land in Sicht! Die Taube kommt mit einem grünen Zweig zurück zum Rettungsschiff. So kann die ganze Schöpfung, Tier und Mensch, einen Neuanfang wagen. Gott setzt als Zeichen des Bundes sein Versprechen mit dem Regenbogen an den Himmel. Er bindet sich, lässt seinen Charakter abbilden, kann ins Bild gesetzt werden: Treuer Gott, so ist sein Name. „Ich werde sein, der ich sein werde“, so sprecht von mir“, sagt Gott.
Im Neuen Testament der Bibel ist die Taube das Symbol für die Kraft Gottes. Wie ein Ausweis die Identität bezeugt, so bezeugt der Heilige Geist im Bild einer Taube Jesus als Sohn Gottes. Die Bibel erzählt davon: Jesus lässt sich taufen und der Himmel öffnet sich. Menschen hören das Bekenntnis Gottes zu seinem Sohn mit eigenen Ohren und sehen die Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Alles ist stimmig an diesem Bild. Die Situation gibt den Frieden mit vollen Händen weiter, bis heute.
Liebe Erzieherinnen und Erzieher, liebe Gäste – liebe Gemeinde,
Bildsucher sind Sie. Sind wir. Ein Leben lang. Zeit ist genug dafür gemacht. Unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Begabung seid Ihr – und doch geschickt zu dem, was Ihr tun sollt: Bildsucher für das Leben mit Gott zu sein. Zusammen mit den Kindern. Keine Angst. Die Kinder werden Euch schon dazu an die Hand und mit hineinnehmen in die Welt der Bilder. Und Ihr werdet ihnen die Bildwelt der Bibel, die Bildwelt des Glaubens zeigen. Entdeckt gemeinsam, was es hier gibt, an Bildern für die Freude wie für den Schmerz, für umwerfendes Vertrauen wie für abgrundtiefe Angst; Bilder für das Leben und Sterben, für Anfang und Ende. Der Heilige Geist wird Euch dazu anleiten und auf den Weg bringen, euch Rückenwind schenken und aufrütteln, wenn ihr zu bequem werdet. Paulus schreibt: Wir haben mancherlei Gnade: Prophetische Rede, verschiedene Ämter, die Gabe, zu lehren, zu ermahnen, zu trösten, zu geben, zu leiten, barmherzig zu sein. … So verschieden auch die Gaben sind, kommen doch alle aus dem einen Geist Gottes.“ Und der helfe Euch bei allem, was Ihr in seinem Namen tut. Heute und jeden Tag.
Amen