07.03.2021
Stadtgottesdienst in Gera, Sonntag Okuli, 07.03.2021, Regionalbischöfin Dr. Friederike F. Spengler
Dr. Friederike F. Spengler, Regionalbischöfin der Propstei Gera-Weimar
Epistel/Predigttext aus Eph 5
1 So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder
2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört,
4 auch nicht von schändlichem Tun und von närrischem oder losem Reden, was sich nicht ziemt, sondern vielmehr von Danksagung.
5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das ist ein Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.
7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts;
9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Vom Taufstein aus (Eröffnung): Gnade sei mit Euch…
Ein ungewohnter Predigtort: Der Taufstein. Aber genau der richtige Anfang. Denn hier beginnt alles. Hat alles, was uns Paulus heute im Namen Gottes auf den Kopf zusagt, seinen Ursprung. „Geliebte Kinder“, so lesen wir! Geliebte Kinder Gottes sind wir durch die Taufe. Ein Wechsel der Seiten ist erfolgt: Von der Dunkelheit ins Licht. Ohne Gott bleibt das Leben finster. Getrennt von Gott, tappen wir im Dunkeln. „Im Namen Gottes!, Dir, der du vorher im Schatten, in Dunkelheit gelebt hast, wäscht die Taufe Herz und Seele sauber.“ Und anders, als bei allen Versuchen, dich selbst reinzuwaschen, wirst du hier durch Gottes Wort und Wasser als neuer Mensch geboren. „Früher wart ihr Finsternis, nun aber seid ihr Licht.“, heißt es bei Paulus. Das Leben ist ausgewechselt. Fröhlich pfeifend steigen der neue Adam, die neue Eva aus dem Wasser.
Frisch gewaschen. Ganz in weiß, wie aus dem Ei gepellt, geht der neue Mensch los. Tritt ins Licht und lässt das Dunkel hinter sich. So geht es ihm gut. Bald aber bemerkt er, dass auch dieser Weg mitunter steinig ist. Auch bei Lichte betrachtet, schwebt kein Christ durchs Leben. Und war man noch gerade so erlöst auf dem Weg des Heils unterwegs, ziehen andere Lebensentwürfe, aber auch verlockende Angebote, unsere Aufmerksamkeit bald auf sich. Paulus buchstabiert einen ganzen Katalog davon durch. Von machtbesessener, das Gegenüber herabwürdigender Sexualität bis hin zu Geiz und Gier führt er Untugenden an, die weit und breit bekannt sind. Die Liste ließe sich von uns beliebig fortsetzen und uns fiele noch so manches dazu ein. Aber, Ihr Lieben, hier geht es nicht um eine „Verbotsliste“, die wir an die Pinnwand hängen und vor allen Entscheidungen nachschauen, ob dieses oder jenes draufsteht. Vielmehr geht es um den Seitenwechsel, der in der Taufe geschehen ist: Aus der Dunkelheit ins Licht! Nicht die Finsternis, die Machenschaften, die Abhängigkeiten sollen euch beherrschen, sondern das Licht Gottes.
Was ist aber, wenn wir erleben, wie wir selbst oder andere Kinder Gottes in ihrem Leben viel Dunkelheit und Finsternis erfahren? Ich denke an Vereinsamte in diesen Monaten. An Kranke. An Sterbende und die um sie Trauernden. Ich denke an Menschen, die ihre wirtschaftliche Existenz verloren haben und an jene, denen der Sinn für ihre Lebensausrichtung verlorenging. Ich blicke über den Tellerrand und sehe die verfolgten Christen überall auf der Welt. Überhaupt sehe ich so viele, die für ihre Überzeugung, ihre Identität und Gesinnung leiden müssen. Mir gehen die Bilder von Hunger und Elend im Jemen, von erlittener Ungerechtigkeit in Belarus und am Kongo, von lähmender Aussichtslosigkeit in Syrien… nicht aus dem Kopf. Ach Gott, warum müssen deine Kinder so leiden? Warum ist soviel Dunkelheit da, wo die Sache des Lichtes doch schon längst entschieden ist? Paulus kennt das Leben mit allen Lebensfeindlichkeiten. Er hat sie am eigenen Leib erlebt. Mit seinen Briefen an die Gemeinden geht er den Fragen nicht aus dem Weg, nimmt manche auf. Mit seinem Briefen ist er ein Stück Lebenshilfe mitten im Fragen und Klagen der Welt. Sein Appell: Lass dich nicht verwirren, bleib im Licht. Hier gehörst du hin - mit deinen Fragen, deiner Trauer über Zu- und Umstände. Die gehören mit uns Licht, müssen bei Lichte besehen, betrachtet, durchbetet werden. Wo aber kommen wir immer wieder ins Licht? Wie vergewissern wir uns dieses Lichtes, vor allem dann, wenn es alles andere als hell um und in uns ist?
Okuli heißt dieser Sonntag: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn!“
(Fingerzeig auf das Altarkreuz, dabei Weg zum Altar) Am Altar:
Zu ihm hin sehen, gehen wir: Jesus Christus erlebt und erleidet das alles mit uns. Keine Frage ist ihm unbekannt, kein Leid fremd. Das ist der Gott, der dich liebt – mit allen Konsequenzen, sich die Hände schmutzig zu machen, bleibt er an deiner Seite.
Es ist lebenswichtig, sich immer wieder sagen zu lassen, wo das Licht ist. Wir sind vergesslich. Gott spricht uns das Licht zu. Wie nun genau? Gott spricht es uns durch sein Wort zu. Hier hören wir seine Stimme- (Buch vom Altar in die Hand, dann aufschlagen, bis es leuchtet) –
aus der Heiligen Schrift leuchtet das Licht, in dem wir leben. Und deshalb, Ihr Lieben, sei es unser täglich Brot. Jeden Tag Gottes Wort lesen und hören. Gottes Wort bringt uns immer wieder ins Licht. Navigiert uns heraus, wenn wir uns im Dunkel verrannt haben, stellt uns in die herrliche, lichte Freiheit der Kinder Gottes. So leuchtet sein Wort. Wird, wie es der Psalmbeter sagt, zu „deines Fußes Leuchte und zum Licht auf deinem Wege“. Durchflutet die Welt und sorgt dafür, dass keine Finsternis auf ewig finster bleibt. So sagt es die Schrift selbst über Jesus:“ Ich bin das Licht der Welt“, spricht er. „Wer mir nachfolgt, wird nicht bleiben in der Finsternis, sondern das ewige Leben haben“.
Wir leben als Getaufte. Am Wort Gottes ausgerichtet, werden wir immer wieder ins rechte Licht gerückt. Jetzt muss das Gehörte ins Leben…
Vom Pult aus (Abschluss):
„Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir der Sache nicht gewachsen sind. Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich mächtig sind. Es ist das Licht, das wir fürchten, nicht die Dunkelheit. Wir fragen uns: Wer bin ich denn eigentlich, dass ich leuchtend, hinreißend und begnadet sein darf? Du bist ein Kind Gottes. Wenn du dich klein machst, dient das nicht der Welt. Du bist geboren, um die Ehre Gottes zu verwirklichen, die in uns ist. Sie ist nicht nur in einigen von uns, sie ist in jedem Menschen. Und wenn wir unser Licht erstrahlen lassen, geben wir unbewusst den anderen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir uns von unserer Angst befreit haben, wird unsere Gegenwart ohne unser Zutun andere befreien.“
Diese Worte las Nelson Mandela bei seiner Antrittsrede als Präsident von Südafrika (aus einem Buch von Marianne Wilson). Das Gehörte fasziniert mich. Es nimmt Gottes Wort beim Wort.
Sein Licht erstrahlen lassen, das ist ein starkes, aufrüttelndes Bild. Aber, ist das nicht doch eine Nummer zu groß für uns hier? Nein, sagt Paulus, das ist es nicht. Und so fordert er es damals von der Gemeinde in Ephesus und heute von uns hier in Gera, rüttelt uns auf. Das Bild vom Licht schafft Klarheit, ermutigt und stärkt. “Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Aus unserem Lichtsein also wachsen Früchte: Güte nennt Paulus als erste Frucht. Gutsein. Dem anderen nur das Beste wünschen und tun. Mit warmer Hand weitergeben, was uns geschenkt ist. Teilen. Anteil nehmen. Ja, solche Früchte des Lichts verändern die Welt: So kommt das Leben zur Entfaltung. Und das bleibt garantiert nicht folgenlos. Gerechtigkeit und Wahrheit, da bin ich mir mit Paulus sicher, können endlich aufblühen. Sie brauchen das Klima des Miteinanders. Sie leben davon, den Mitmenschen je ein wenig höher zu schätzen als sich selbst. Und so dann auch zu handeln. Wo dieses Klima gelebt wird, sprießen Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.
Liebe Gemeinde, Christen sind mitten in die Welt, mitten in unserer Zeit als Lichter gesetzt. So dunkel und lebensfeindlich sich alles gebärdet, was wir täglich hören, sehen, erleben und selbst tun: So bedroht auch das Licht sein mag, es ist der Grund allen Lebens
Ihr Lieben, ihr seid dazu bestimmt, Licht zu sein - Gottes geliebte Kinder. Seid Licht! Heute!
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist, als es unser Verstand fassen kann, der lichte euch im Glauben an Jesus Christus, dem Licht der Welt.