31.01.2021
Gottesdienst 31.01.2021 in St. Salvator, Gera, zum Evangelium Mt 17, Regionalbischöfin Dr. Friederike F. Spengler

Dr. Friederike F. Spengler, Regionalbischöfin der Propstei Gera-Weimar

Evangelium aus Mt 17,1-9:

1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.

2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

4 Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!

6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr.

7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

 

Liebe Gemeinde,

„Braut im Glück“ steht auf dem Plakat eines Hochzeitsausstatters. „Und der Bräutigam hoffentlich auch…“, denke ich und bleibe vor dem Schaufenster stehen. „Alles für den schönsten Tag des Lebens!“ Werbend präsentieren sich Träume aus weißer und rosa Spitze und Accessoires. Ob wir das Wort „Hochzeit“ im Deutschen falsch aussprechen? Es soll ja „Hohe-Zeit“ bedeuten. Eine besondere, herausragende, aus dem Alltag genommene Zeit, mehr als nur ein Hochgefühl.

„Hoch-Zeit“ also. Von solcher spricht auch Jesus und nutzt dabei das Bild des Bräutigams. Er verdeutlicht, dass es Zeiten gibt, in denen ist einfach alles gut. Wenn der Bräutigam da ist, wenn sich dann Braut und Bräutigam begegnen, dann ist hohe Zeit. In solchen feiert man und fastet nicht, sagt Jesus. (Mk 2/Lk 5), nicht, solange die Hoch-Zeit währt. Solche Hoch-Zeiten zu erleben, tut gut. Da kann man die Dürre der alltäglichen Mühen und mitunter auch das Tal der Traurigkeit hinter sich lassen. Alles hat seine Zeit, sagt der Prediger und wenn Hoch-Zeit da ist, da ist Freuden-Zeit! „…er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar!“, das haben wir eben gespielt gehört und innerlich mitgesungen.

Im Evangelium für heute wird eine solche Hoch-Zeit beschrieben. Das Kirchenjahr bietet am letzten Sonntag nach Epiphanias noch mal alles auf an Glanz, was das Licht in der Krippe und der Stern der Weihnacht mit sich bringen. Alles, was den der Welt vor Augen gestellten Gottessohn - den menschgewordenen Heiland der Welt - zeigt. Dabei beginnt die Erzählung bei Matthäus im 17. Kapitel sehr lebensnah. An der Basis sozusagen. Dass Jesus drei seiner Jünger zur Seite nimmt, um mit ihnen allein zu sein, das war nichts Besonderes. Und so gingen Petrus, Jakobus und Johannes auch fraglos mit. Matthäus schreibt: „und er führte sie allein auf einen hohen Berg“. Viele Stunden geht es bergan. Das geht in die Knochen, denn von gemachten Wanderpfaden und befestigten Steigen kann zu dieser Zeit nicht ausgegangen werden. Stück für Stück, Stein um Stein und Klippe um Klippe geht es bergauf. Die Sonne erbarmungslos heiß, der Weg staubig und steil. Kein Vergnügen, eher Mühe. Was der Meister nur mit ihnen hier vorhat? Langsam wird es anstrengend, so Schritt für Schritt, ohne klares Ziel, nur in Erwartung, dass alles einen Sinn ergibt. Darüber, wie sie endlich oben angelangt sind, vielleicht müde und erschöpft, durstig und hungrig, verliert der Evangelist kein Wort. Und dann verändert sich binnen eines Augenblicks alles. So, als wäre ihnen mit einem Wimpernschlag alles klar. So, als würden sie in ein Geheimnis hineinblicken und etwas Lebenswichtiges erkennen. Es ist den Jüngern so vollkommen, so richtig und seligmachend zumute, dass sie nur eines denken und sagen können: „Hier wollen wir bleiben!“ All ihre Sehnsüchte kommen über die Lippen: „Herr, hier ist gut sein! Was für eine Hoch-Zeit, lasst uns die festhalten und genießen und am besten konservieren, damit sie ewig hält.“ Und so baut dieser erhabene Augenblick im Geist bereits Hütten. Jesus geht nicht darauf ein. Er ist ganz und außer sich – verklärt –in Gott aufgegangen. Und so werden die Jünger Zeugen der Offenbarung aus seinem Munde. Dass, was sie bisher nur für sich sehen, wird Evangelium, ereignet sich als gute Botschaft für die Welt: Gott spricht: „Das ist mein lieber Sohn!“ Das ist wie ein Amen, ein unterstrichenes Ergebnis, ein Zielpunkt – ja das Ziel der Schöpfung überhaupt: Gott bekennt sich zu diesem Menschen, zu seinem Sohn. Kein Zweifel soll bleiben. Gott gibt sich in Jesus Christus zu erkennen. Das ist Hoch-Zeit.

-kurze Stille

Wie ist der Rückweg für Johannes, Jakobus und Petrus wohl gewesen? Ob sie geschwiegen haben beim Abstieg vom Berg? Oder erzählten sie sich immer wieder davon, was sie gerade erlebt haben? Matthäus schweigt darüber. Das scheint nicht wesentlich zu sein. Vielmehr nennt er den Auftrag, den sie aus dieser Hoch-Zeit heraus mitnehmen: Wenn Jesus auferstanden ist, dann sollen sie erzählen von diesem Erlebnis und – so wird es in der Beauftragung der Jünger später heißen: Sollen hin gehen in alle Welt und taufen und lehren und miteinander leben, denn das Reich Gottes wächst auf der Erde auf.

Begegnung mit Gott werden Menschen seitdem immer wieder zu Hoch-Zeiten im Leben. Wenn wir jetzt die Möglichkeit hätten, hier einer der anderen von solchen Erlebnissen zu erzählen, würden wir einander ganz neu kennenlernen. Vielleicht von einer Seite, die wir nie erwartet hätten… Solche Augenblicke verändern. Verändern Menschen und Situationen. Auch diese Erfahrung schildert das Evangelium: Petrus, Jakobus und Johannes kommen beschenkt und beseelt und mit einer neuen Beauftragung vom Berg.

Liebe Gemeinde, wo treffen wir Gott? Wo spüren wir seine Gegenwart selbst in diesen begegnungsarmen Zeiten? Erinnert Ihr Euch an Eure Hoch-Zeiten mit Gott? Luther hat die Kirche gelehrt, Gott in der Heiligen Schrift zu suchen. Heute, am Bibelsonntag, werden wir in besonderer Weise hingewiesen auf das Wort Gottes im Wort der Bibel. Manchmal kann man das für sich erleben: Etwa, wenn einen ein Vers so direkt anspricht. So, als wäre es nur für einen selbst geschrieben (und ja, das ist wohl dann auch so!). In Gottesdiensten und Andachten lesen wir Gottes Wort laut vor. Wir sprechen es einander zu. Und eine der Hörenden, die nach dem Gottesdienst nach Hause geht oder den Radio- oder Fernsehgottesdienst erlebt hat, fühlt sich vielleicht aufgehoben in diesem Wort und geht bestärkt in die neue Woche. Ein anderer sucht Gott in der Stille, auch da lässt er sich finden. Raus aus den eigenen vier Wänden, die in diesen Monaten nicht immer nur als willkommener Rückzugsort erlebt werden, hinein in eine offene Kirche. Die Gedanken kommen zur Ruhe, ein Gebet formuliert sich im Innern. Ein Dritter musiziert sich das Wort Gottes ins Herz.

In diesen Monaten finden wir Gott auch winkend vor den Fenstern der Pflegeheime stehen. Mit den Pflegenden tritt er ans Krankenbett. Gott spricht am Telefon der Seelsorgenden mit Einsamen und lässt die Ängstlichen hören „Fürchtet euch nicht!“ Gott legt verunsicherten Schulkindern die Hand auf die Schulter und spricht Heranwachsenden Mut zu. Gott zeigt, offenbart sich an ganz verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten. Sein Erscheinen lässt sich weder planen, noch vorhersagen, nicht in Kirchenmauern pressen und bindet sich nicht nur an Orgelmusik.

Und was können wir dazu tun? Gott Gelegenheit geben, uns zu begegnen. Freiräume schaffen, dass Erkenntnis wachse. Das „Bereitet dem Herrn den Weg!“ der Adventszeit grüßt ins neue Jahr herüber.

Ich denke, es ist wohl ein entscheidender Punkt: Dass wir Gott oft zu wenig Platz einräumen in uns. Dass wir zu beschäftigt sind, jede Stille sofort ausfüllen, die tägliche Zeit für Bibellesen und Gebet verkürzen im Wahn, es könnte Dringlicheres geben. Dabei jedenfalls ertappe ich mich...

Offen sein für Gottes Begegnung mit uns… Das ist eine Lebenshaltung.

In einer Legende beschreibt Leo Tolstoi diese so:

Es war einmal ein Schuster, der hieß Martin. Durch das Fensterseiner Wohnung kann er die Menschen sehen, die draußen auf der Straße vorübergehen. Er sieht immer auf die Schuhe, denn seine Werkstatt liegt im Keller. Die Leute kommen gerne zu Martin, denn er macht seine Arbeit gut und verlangt nicht zuviel Geld dafür. Wenn der Abend kommt und es draußen dunkel wird, zündet Martin die Lampe an und liest in der Bibel. Den ganzen Tag freut er sich auf diese Zeit. Er kann den Abend kaum erwarten. Eines Abends hört er beim Lesen. wie jemand seinen Namen ruft. "Martin", er blickt sich um. Niemand ist zu sehen. "Martin! Schau morgen hinaus auf die Straße. Ich will zu dir kommen." Martin denkt, er habe geträumt. Sollte Gott etwa zu ihm gesprochen haben? Am nächsten Morgen sieht Martin vor seinem Fenster ein Paar alte, geflickte Soldatenstiefel und bald auch den Mann, der sie trägt. Es ist der alte Stephan. Der schaufelt gerade den Schnee von der Straße. Die Arbeit strengt ihn sehr an. Er muss immer stehen bleiben, um sich auszuruhen. Martin hat Mitleid mit dem alten Mann und ruft ihn zu sich herein: "Komm, Stephan! Wärme dich in meiner Stube!" Dankbar nimmt der die Einladung an. "Setz dich zu mir an den Tisch, Stephan. Ich will dir ein Glas Tee einschenken." Als Stephan gegangen ist, schaut Martin bei der Arbeit wieder und wieder aus dem Fenster. Plötzlich steht da im Schnee eine junge Mutter mit einem kleinen Kind auf den Armen. Die Frau friert in ihrem dünnen Kleid. Sie versucht, ihr Kind vor dem kalten Wind mit ihrem Wolltuch zu schützen. "Komm herein, Frau!", ruft ihr Martin zu. "Hier drinnen kannst du dein Kind besser versorgen." Martin nimmt Suppe vom Herd und gibt sie der Frau. "Hier, iss etwas", sagt er. „Und bevor du gehst, will ich dir noch etwas mitgeben, worin du dein Kind besser wärmen kannst." Martin holt seine alte Jacke und schenkt sie der Frau. Kaum ist die Mutter mit dem Kind gegangen, da hört Martin Geschrei. Die Marktfrau schlägt auf einen Jungen ein, der ihr einen Apfel gestohlen hat. "Warte nur, du Dieb! Ich bringe dich zur Polizei!", schreit sie wütend und zieht das Kind an den Haaren. "Lass es laufen", ruft Martin der Frau zu. "Es wird sowas bestimmt nicht wieder tun. Den Apfel will ich dir bezahlen." Da beruhigt sich die Frau und der Junge kann sich bei ihr entschuldigen. "Schon gut", sagte die und geht weiter. Der Junge hilft nun, den schweren Apfelkorb tragen.

Inzwischen ist es Abend geworden. Ob Gott Martin vergessen hat? Martin nimmt die Bibel heraus. "Ich habe dich besucht, Martin. Hast du mich erkannt?" Die leise Stimme ist ihm ganz nah. "Wann? Wo?", fragt Martin erstaunt. "Schau dich um", sagt die Stimme. Da sieht Martin plötzlich alle vor sich: den alten Stephan und daneben die junge Mutter mit ihrem Kind. Auch den Jungen mit dem Apfel sieht er und die Marktfrau mit dem Korb. "Erkennst du mich?" Und ehe er antworten kann, sind die Bilder vor seinen Augen verschwunden. Martin ist froh. In ihm jubelte es: Gott hat sein Versprechen wahr gemacht, er hat ihn besucht. Martin sieht auf die Seite der Bibel, die vor ihm liegt und liest: "Alles, was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

Hoch-Zeit. „Braut im Glück“. Wer Gott einlädt, wird mit ihm Erfahrungen machen, die nachklingen, auch dann, wenn die Zeiten alles andere als hochzeitlich sind. Bestärkt von solchen Augenblicken, wie sie im Evangelium beschrieben die Jünger mit Jesus erlebten, nehmen wir Kraft in den Alltag mit. Beseelt davon, dass Gott auch uns besuchen wird, geht uns das Herz auf. Wann? Vielleicht schon heute! Denn, es ist Sonntag. Zeit für eine Begegnung mit Gott. Möge ER euch solche Hoch-Zeit schenken. Amen


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