03.08.2022
Barfuß unterwegs
Im Sommer laufe ich gerne barfuß – meist nur in der Wohnung, aber am liebsten draußen auf den Feldwegen, wo ich die Wärme und Kälte der Erde spüren kann. Wenn ich längere Zeit barfuß laufe, spüre ich die spitzen Steinchen kaum mehr. Bei der Begegnung mit Christen aus Eritrea und aus Äthiopien fällt mir auf, dass alle vor Beginn des Gottesdienstes ihre Schuhe ausziehen, so wie es auch Muslime beim Betreten des Gebetsraumes tun. Das kann hierzulande sogar zu Missverständnissen führen, wenn Christen aus Eritrea in unserer Kirche Gottesdienst feiern und vor der Tür zig Paar Schuhe stehen bleiben- eine Nachbarin rief empört beim Bischof an, dass sei doch wohl unmöglich, dass jetzt sogar diese Kirche den Moslems gegeben werde, weil sie die vielen Schuhe von ihrem Balkon aus erblickt hatte. Dass auch Christen barfuß vor Gott treten, war ihr fremd. Barfuß gehen hat tatsächlich einen tiefen religiösen Sinn: „Zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort darauf du stehst ist heiliges Land.“ Sagt Gott zu Mose. Die nackten Füße sind ein Zeichen, dass wir Menschen ohne Beiwerk vor Gott treten – erdverbunden und ohne Hülle. Die nackten Füße sind das Gegenbild zu den Stiefeln der marodierenden Soldateska, die mit Gedröhn daher gehen. Oder haben sie schon Bilder von Soldaten gesehen, die barfuß laufen? Jesus hat seinen Jüngern selbst die Füße gewaschen – als Zeichen seiner Achtung und Liebe. Und wir haben in unserer Kirche mit Kolleginnen und Kollegen wieder damit angefangen, einander vor dem Gottesdienst die Füße zu waschen und barfuß zu feiern. Für einige befremdlich und für andere entzückend.
Ihr Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle