Angedacht, MDR, Radio, Radio-Andacht, Radio-Andachten, Radioandacht, Radioandachten,

04.08.2022
Schwarz und weiß

Wenn ein naher Verwandter aus der Familie verstorben war, trugen meine Oma und meine Mutter und ebenfalls die Männer mehrere Monate bis zu einem Jahr schwarze Trauerkleidung – sonntags im Gottesdienst. Und sogar die Strohhüte der Frauen und Männer bekamen im Sommer ein schwarzes Band. Dadurch wusste jeder, dieser Mensch trauert um einen lieben Menschen. Man musste gar nichts sagen. Höchstens ein leises – „Gott vergebe ihm“, weil die Leute sicher waren, dass jeder Mensch einmal im Leben über das, was er getan hat, Rechenschaft ablegen muss. Die schwarze Trauerkleidung führte aber nicht zwangsläufig dazu, dass die Trauernden traurig waren – sondern sie erzählten bei der Arbeit sogar lustige Geschichten über und mit dem Verstorbenen und konnten dabei kräftig lachen. Dass die Farbe schwarz bei uns zur typischen Trauerkleidung wurde, hatte nicht mit dem Tod, sondern mit dem aufwendigen, teuren Prozess der Schwarzfärbung zu tun. Und dass jemand, der schwarz trug, als besonders würdig angesehen wurde. Nur so konnte ich verstehen, dass meine Großmutter vor hundert Jahren in einem schwarzen Samtkleid geheiratet hatte, dass sie auch unbedingt ins Grab nehmen wollte. Ganz in weiß lassen sich hingegen bis heute die Nachkommen der Glaubensflüchtlinge aus Mähren, die Herrnhuter, begraben – weiß als Zeichen des Protestes gegen den Tod und weil sie sicher sind, dass sie sich als himmlische Bürger wieder sehen werden.

Auf ein Wiedersehen im Himmel mit den Entschlafenen freut sich Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle


Bleiben Sie mit unseren Newslettern auf dem Laufenden.

Hier Abonnieren

Die besten News per E-Mail - 1x pro Monat - Jederzeit kündbar