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24.06.2021
Dünngeschnittene Salami

Es liegt länger zurück und ist mir doch in bester Erinnerung. Ein Europafest auf dem Marktin Magdeburg. Jemand rief meinen Namen und bat mich, zwei jungen Straßenmusikanten aus Polen für eine Nacht in unserem Pfarrhaus Quartier zu gewähren. Sie hätten für ein Hotel nicht genug Geld. Ich zögerte einen winzigen Augenblick. Dann aber sagte ich: Kommt, wir nehmen die Straßenbahn. Die Verständigung war schwierig, ein bisschen Englisch, ein paar Brocken Russisch und Deutsch. In unserer Wohnung duschten sie und baten mich danach in meiner Küche um ein Messer. Mein Mann war nicht daheim. Ich fühlte mich plötzlich ängstlich. Wozu ein Messer? Die junge Frau wiederholte die Bitte und hüpfte dann fröhlich mit dem Gewünschten in den ersten Stock. Nach einigen Minuten kamen die beiden die Treppe hinunter und überreichten mir einen Teller mit dünn geschnittener Salami und duftendem Brot. „Dla Cebie“–für dich, sagte der junge Mann. Ich nahm die beiden in den Arm. Holte Butter und Tomaten. Kochte leckeren Tee mit Honig. Wir setzten uns auf die Terrasse und aßen gemeinsam. Ich betete, wie ich es immer tue. Und die beiden Musiker bekreuzigten sich. „Unser tägliches Brot gib uns heute“. An diesem Tag spürte ich, wie erbetenes Brot noch besser schmeckt, wenn man es angstfrei teilt.

Meint Pfarrerin Gabriele Herbst aus Magdeburg


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