02.07.2024
Elena trägt das Schwere
Elena war eine beeindruckende Frau, fast 94 ist sie geworden. Und jetzt haben wir zu Grabe getragen.
Sie hat kein leichtes Leben gehabt: Als eins von 10 Kindern wurde sie in den Weiten Russlands geboren. Die Mutter starb, da war sie vier. Der Vater wurde verschleppt, weil er nicht der Kolchose beitreten wollte.
Sie kam weit weg zu Verwandten. Ihre Geschwister hat sie von da an Jahrzehnte nicht mehr gesehen.
Bei Tante und Onkel war sie das fünfte Rad am Wagen, der Sündenbock für alles, mutterseelenallein.
Im Flüchtlingslager in Polen geriet sie in eine stramm deutsche Offiziersfamilie, arbeite als Kindermädchen unter dem strengen Regime des Hausherrn. Zum Kriegsende landete sie schließlich in Naumburg.
Und hier hatte sie das erste Mal Glück: Weil ihre Unterlagen bei der Flucht verloren gegangen waren, musste sie nicht nach Russland zurück und konnte bleiben. Sie fand Freundinnen, herzliche Menschen, Arbeit und später auch die Liebe. Eine, die sie mit Mitte 30 wieder verlor.
Aber sie fand einen neuen Mann und großen Familienanschluss.
Für alle war sie da, und alle waren für sie da.
Mit ihrem russischen Dickschädel hat sie sich durch´s Leben getrotzt. Stand früh auf, las ein Stück Bibel, blieb lebensfroh, immer mit dem Blick nach vorn. Im Herzen einen Gott, dem sie alles anvertraut hat - das Schöne und das Schwere.
Mit ihrem Lieblingssommerlied und dem Dank an Gott standen wir um ihr Grab und haben sie in Gottes Hand zurückgegeben.
Pfarrerin Christina Lang, Ev. Kirchengemeinde Naumburg