14.06.2017
Erbe
„Bäckerei und Konditorei“ steht auf dem Schild über dem Schaufenster. „Wilhelmstrasse“ steht auf dem Straßenschild gleich um die Ecke. Das wäre ja nichts Besonderes, wenn es nicht in Afrika wäre. In Namibia gibt es nicht nur deutsche Beschriftungen an Läden und Straßen, dort wird auch viel deutsch gesprochen. Das ist sehr praktisch und der Tourismus boomt.
In Namibia leben viele Menschen mit deutschen Wurzeln - oft schon in der vierten Generation. Deutsch-Süd-West-Afrika hieß einst dieses Land. Seit 27 Jahren ist es die Republik Namibia. Unsere Länder verbindet so einiges, auch unsere Geschichte. Deutsche Farmer kamen vor weit über 100 Jahren und der deutsche Kaiser schickte Soldaten als Schutztruppen. Das Deutsche Kaiserreich stellte Ansprüche. Es wollte Land und Macht und vertrieb brutal die Buschvölker. Die Herero und Nama bezahlten zigtausendfach mit ihrem Leben.
Im letzten Jahr hat unser Bundespräsident diese Geschichte offiziell als Schuld anerkannt und in New York haben Nachfahren der Herero Klage auf Wiedergutmachung eingereicht. Der Ausgang ist offen.
Aber geht mich persönlich das alles überhaupt etwas an? Ich bin doch nur zu Gast in diesem Land. Meine eigenen Vorfahren waren nicht hier. Nicht als Farmer und nicht als Soldaten. Mich kann doch keiner verantwortlich machen! Von wegen Schuld und so....
Aber dann stehe ich bei Okahandja an deutschen Soldatengräbern. Ich lese: Emil, Hermann, Paul - auf den Grabsteinen. Ich sehe, sie waren Anfang 20.
Ich wechsele die Straßenseite. Dort sind Gräbern der Herero. Sie waren genauso alt. Ich falte meine Hände und bete: „Vater vergib!“ Auch wenn es nicht unsere Schuld ist, es ist unser Erbe. Wie auch die „Bäckerei und Konditorei“ und die deutsche Sprache – mitten in Afrika.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg