28.12.2018
Glockenklang
„Süßer die Glocken nie klingen, als zu der Weihnachtszeit“
...außer in Kleinwerther im Thüringischen.
Dabei hatte es verheißungsvoll begonnen: Nach vierzig stillen Jahren konnte dort die Glockenanlage endlich wieder in Betrieb genommen werden. Dafür hatten viele im Dorf gespendet. Zum Reformationsfest war es dann soweit. Die Glocke klingt wieder. 24 Mal am Tag meldet sie, was die Stunde geschlagen hat.
Doch der stündliche Glockenton störte eine Familie im Ort. Sie legte wenige Tage nach der Inbetriebnahme Beschwerde ein. „Ihre Kinder bekämen Alpträume,“ sagen die Eltern. „und außerdem habe doch heutzutage jeder eine eigene Uhr.“ begründen sie ihre Haltung. Messungen wurden durchgeführt. Und tatsächlich: die Glocke ist 3 Dezibel zu laut. Leider lässt sich die Mechanik nicht einfach nachts ausschalten. Also wird der Stundenschlag wieder komplett abgeschaltet.
Ich wohne schon lange neben einer Kirche. Aber nur selten registriere ich ihren Stundenschlag. Viele kennen das: Unser Gehirn filtert einen Ton, der immer wiederkehrt, einfach heraus.
Das braucht allerdings etwas Zeit und innere Gelassenheit.
Die wünsche ich der Familie.
Denn Glocken sind aucg etwas Heimatliches. Sonst hätten nicht so viele Leute gespendet. Man darf von ihnen auch etwas neu lernen:
Glockenklang = Kirche = mein Dorf = mein Zuhause!
Stunde um Stunde: Heimat.
Es gäbe andere Themen, die unseren Zorn nötig hätten. Aber nicht die Glocken.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg