19.01.2025
Gut gemeint
„Die würde ich nicht nehmen,“ sage ich, „die drehen ruckzuck mit, und das Loch ist dann doppelt so groß.“ Mit hochgezogener Augenbraue schaut der Herr von der Dübelverpackung hoch und ich merke: Oh, vielleicht wollte er meinen Ratschlag gar nicht. Ich hab’s ja nur gut gemeint. So, wie die vielen Erwachsenen früher, die dem kleinen Martin ständig gut gemeinte Ratschläge mitgegeben haben. „Iss keinen rohen Teig.“ „Lehn dich besser nicht da drüber.“ „Kämm dir mal die Haare.“ Und ich dachte damals, dass das aufhört, wenn man erwachsen ist. Und jetzt bin ich selbst so ein Ratschlaggeber. Man meint es ja nur gut, und manchmal weiß man es ja wirklich auch besser. Immer sicher nicht und leider auch nicht so oft, wie ich gut gemeinte Ratschläge verteile. Es ist eben ein schmaler Grat zum Besserwisser, und bestimmt verfehle ich ihn auch ab und an. Diese Erkenntnis ist vielleicht auch schon der erste Schritt zur Besserung.
„Sorry, dass ich reinrede,“ sage ich. „Sie wissen es bestimmt besser.“
Jetzt guckt er wieder freundlicher.
Demut ist nötig, eigentlich immer, aber hier natürlich besonders. Sich selbst nicht für die Quelle aller Weisheit halten, das ist quasi eine urchristliche Lebenseinstellung. Gott allein ist weise. Ich kriege nur ein Bruchteil mit. Selbst oder gerade, wenn ich es eigentlich nur gut meine. Dann fällt es mir auch leichter, die Ratschläge von anderen als das zu hören, was sie sind: einfach nur gut gemeint.
Einen Tag mit viel Weisheit wünscht ihnen Martin Olejnicki, evangelisch in Köthen.