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22.05.2017
Lies selbst

Heute diskutiere ich mit Klaus-Peter Jörns in Wittenberg über Glaubensreform. Das ist in unserer Kirche ein ziemlich umstrittenes Projekt. Klaus Peter Jörns sagt, wir müssen uns von einigen Glaubensüberzeugungen verabschieden, weil sie einfach nicht mehr zu vermitteln sind.
Das ist reformatorisch, finde ich. Denn für viele Menschen ist kaum noch verständlich, was Christinnen und Christen glauben. Ist Jesus von den Toten auferstanden? Und wenn ja, was bedeutet das? War Maria Jungfrau im biologischen Sinne? Und warum sollte das wichtig sein?
Martin Luther war wichtig, dass Glaube gesprächsfähig ist. Darum hat er die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. Bis dahin war sie wahrhaftig ein Buch mit sieben Siegeln, weil sie nur auf Latein zur Verfügung stand – und wer konnte das schon außer den Gebildeten. Einige Übersetzungen gab es, aber die waren kaum zu verstehen. Luther formte die deutsche Sprache, indem er nach Begriffen suchte: Lücken-büßer, Geiz-hals, Blut-geld sind Worte, die so überhaupt entstanden sind.
Und Luther drängte die Fürsten, Schulen zu gründen für jeden Jungen und jedes Mädchen. Das war eine Form von Demokratisierung. Denn wenn alle selbst nachlesen können, dann können sie auch mitreden. Mir ist das auch für unseren Glauben wichtig. Fundamentalismus sagt: Glaubt oder geht. Freier Glaube sagt: Lies selbst, stell Fragen, beteilige dich. Das ist reformatorisch und das können wir feiern.
Einen guten Tag wünscht Ihnen Margot Käßmann, Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland.


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