29.12.2023
Rauhe Zeiten
Der Parkplatz ist gut belegt. Zwei Autos fahren aufeinander zu; die Fahrer wollen offensichtlich in dieselbe Parklücke einbiegen. Im letzten Moment kommen sie zum Stehen und blockieren sich.
Fenster herunter. Zunächst im gemäßigten Ton und dann immer lauter beharren beide darauf, den Platz zuerst gesehen zu haben. Es wird unangenehm.
Wie ist es um die Stimmung in unserem Land bestellt, wenn um einen Parkplatz gestritten wird, als ginge es um Leib und Leben. Ich höre, in Ländern mit freiem Zugang zu Waffen kann so ein Streit im Alltag buchstäblich tödlich enden.
Also, wie ist es um unser Miteinander bestellt?
Es sind raue Zeiten! Der Parkplatz scheint überall zu sein. Warum eigentlich?
Mir scheint, die Veränderungen der letzten Jahre haben uns überfordert. Dabei ist es nicht entscheidend, welche Veränderungen notwendig sein mögen. Veränderungen sind immer anstrengend.
Als Pfarrer kenne ich das seit Jahrzehnten. Menschen erzählen mir ihre Sorgen und Nöte. Das ist gut und richtig. Häufig soll alles anders werden, höre ich, aber: Veränderung möge es bitte nur bei den Anderen geben.
Daran ist schon Jesus verzweifelt. Beständig erläutert er seinen Freunden, wie die Welt anders wird, wenn sie anders werden. Erst viel später verstehen sie das … und ändern sich tatsächlich.
Es geht also. Darauf will ich vertrauen.
Raue Zeiten gefallen mir nicht; ich will sie verändern.
Auf Parkplätzen und anderswo.
Sanftmütig grüßt aus Dessau
Joachim Liebig