13.03.2021
Reden statt Schweigen
Im Volksmund heißt es „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Das stimmt in einigen Lebenslagen, aber sicher nicht immer. Und Schweigen ist nicht gleich Schweigen. Ob jemand bei einem Gespräch schweigt, weil er dagegen ist, sich aber nicht richtig traut, offen nein zu sagen, oder zu widersprechen, oder ob er oder sie zustimmend schweigt, oder nur desinteressiert ist, das ist ein gewaltiger Unterschied. Wenn ich heute vor einer Gruppe stehe, und nach einem Vortrag schweigen alle, frage ich manchmal provozierend: Schweigen sie nun östlich oder westlich? Sind sie dagegen oder stimmen sie zu. Denn als Mensch, der in einem östlichen Land in Europa aufgewachsen ist, hatte ich auch gelernt in der Öffentlichkeit besser zu schweigen, denn Reden über Tabus konnte in der Schule ziemlich gefährlich sein und einen Konflikt entfachen, dessen Ausgang ungewiss war. Noch heute ärgere ich mich manchmal, wenn ich in Situationen schweige, obwohl mir die Worte auf der Zunge sind. Beim alten Propheten Jesaja heißt es in der Bibel: Gott hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse zu reden mit den Müden zu rechter Zeit. Das wünsche ich mir heute, wenn ich einen Krankenbesuch mache: zu wissen, wann es Zeit ist zu Schweigen und wann zu reden über die Hoffnung, die mich weiterträgt. Denn wenn es um Hoffnungsworte geht, hat der Volksmund nicht recht: Da hilft reden mehr als schweigen, glaubt Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Hall