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26.03.2025
Ruhestand

„Das erste Jahr nach dem Ruhestand musst du erstmal überleben“, lacht er. Er weiß, wovon er spricht. Als die Routinen plötzlich wegfielen und er sich auf einmal jeden Tag selbst überlegen musste, wie er die Stunden füllt, da hat es ihn erwischt: Schlaganfall. Er hat ihn überlebt und Schäden sind auch nicht geblieben. Aber das war schon eine richtige Blutgrätsche. „Mit 66 Jahren“, dachte er, „da fängt mein Leben nochmal so richtig an“, und dann das.  
Das erste Jahr nach dem Ruhestand musst du erstmal überleben. Denn wir leben von dem, was wir tun, nicht nur wegen des Lohnes, sondern weil es unser Leben ist. Arbeit heißt Kollegen und Kundenkontakt und Feierabend-Bierchen. Arbeit gibt dem Leben Rhythmus und Sinn. Und wenn das Arbeitsleben irgendwann endet, dann ist das ein Einschnitt, weil auf einmal nicht nur das Lästige Geschichte ist, sondern auch vieles Sinnvolle wegfällt.  
Menschen wollen arbeiten, übrigens auch Menschen, die zu uns kommen und nicht arbeiten dürfen. Wegen der Abschlüsse und des Status und weiß der Fuchs, was. 
Das erste Jahr nach dem Ruhestand musst du erstmal überleben. Er hat es überlebt. Schäden vom Schlaganfall sind keine geblieben. Gott sei Dank. Danach hat er beschlossen: Nichts mehr aufschieben, sondern leben. Jetzt. Du weißt nicht, wann es vorbei ist. Und einmal pro Woche gönnt er sich ein bisschen Arbeit. In einer Selbsthilfe-Werkstatt schraubt er Fahrräder. Nicht für die Kohle, sondern für die Begegnungen tut er das. Das hält ihn am Leben.  

Conrad Krannich, Halle


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